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Afrika-Visite Papst bringt Herzen zum Schmelzen

Zehntausende strömen in Nairobi zur Papst-Messe. Franziskus preist die Familie und wendet sich gegen soziale Ungerechtigkeit.

Von Jürgen Brätz 26.11.2015, 23:01

Es regnet und regnet in Nairobi, Zehntausende Kenianer harren in teils knöcheltiefem Matsch aus. Trotzdem herrscht ausgelassene Stimmung, voller Begeisterung verfolgen sie die Messe mit Papst Franziskus. „Die Freude, ihn zu sehen, erfüllt mein Herz“, sagt Mary Waithera. Kurz zuvor war das Oberhaupt der katholischen Kirche im offenen Papamobil an ihr vorbeigefahren. Der 78-Jährige winkt teils den Gläubigen zu, teils breitet er beide Arme zum offenen Gruß aus. „Ich freue mich so, den Papst zu sehen“, fügt Waithera hinzu.

Tausende Gläubige singen auf dem Gelände der Universität Nairobi schon seit den frühen Morgenstunden mit ganzem Elan religiöse Lieder auf Swahili, der Landessprache. Dazu tanzen sie immer wieder voller Vorfreude – auch Nonnen schwingen ihre Hüften im Rhythmus, selbst ein Kardinal tanzt auf dem für die Messe errichteten Altarpodest kurz mit. Als der Papst schließlich auf dem Gelände einfährt, ertönt eine Welle der Jubelrufe.

Der Vatikan hatte bei der Messe mit rund 500 000 Gläubigen gerechnet, wegen des ungemütlichen Regenwetters kommen aber wohl nicht ganz so viele. Zudem ist der Verkehr wegen des Papstbesuchs in Nairobi praktisch stillgelegt. „Wenn Ihr heute nicht ins Stadtzentrum müsst, dann schaut Euch den Papst lieber zu Hause am Fernseher an“, sagt ein Radiomoderator schon am frühen Morgen. „Der Verkehr ist verrückt.“

Selbst beim Besuch von US-Präsident Barack Obama im Juli sei es nicht so schlimm gewesen. Die kenianische Regierung hatte den Freitag anlässlich des Papstbesuchs kurzerhand zum nationalen Feiertag erklärt.

Franziskus hält seine relativ kurze Predigt auf Italienisch, anschließend wird sie ins Englische übersetzt. Zum Abschluss sagt er dann auf Swahili „Mungu awabariki“ (Gott segne Euch) – und Zehntausende Gläubige jubeln.

„Sein Kommen hat die Herzen aller zum Schmelzen gebracht“, sagt Peter Kangethe Gathiga. Wie viele andere kam er schon fünf Stunden vor der Messe an, um sich einen guten Platz auf dem zunehmend matschigen Grund, der eigentlich eine Wiese ist, zu sichern. „Alle haben seine Liebe gesehen.“

Doch der Papst hat auch mahnende Worte für die Gläubigen. Er fordert die Jugend auf, sich stärker für eine gerechtere Gesellschaft und eine Bekämpfung der Armut einzusetzen. Familien müssten als Grundbausteine einer friedlichen Gesellschaft besonders unterstützt werden.

Zudem ruft er in einem ungewöhnlichen Appell dazu auf, sich „Bräuchen zu widersetzen, die die Arroganz unter den Männern begünstigen, die die Frauen verletzen oder verachten und das Leben der unschuldigen Ungeborenen bedrohen.“

Sechs Tage ist der Pontifex bei seiner ersten Afrika-Reise unterwegs, nach Kenia geht es noch nach Uganda und den Krisenstaat Zentralafrikanische Republik. Sicherheitsbedenken wegen des schwelenden Konflikts zwischen Christen und Muslimen in diesem Land wischte er am Mittwoch mit einem Scherz beiseite: Er fürchte sich mehr vor den Moskitos als vor den Menschen. Die Zentralafrikanische Republik ist ganzjährig Malaria-Risikogebiet.

Viele Kenianer zeigen sich besonders erfreut über die eindringliche Forderung, die der Papst bei seiner Ankunft am Mittwoch an die Regierung richtete: Sie müsse mehr tun, um die Armut in dem ostafrikanischen Land zu bekämpfen. Ein Viertel der rund 45 Millionen Kenianer lebt von weniger als einem US-Dollar pro Tag, am Freitag will Franziskus eine Armensiedlung in Nairobi besuchen.

Seine Kernbotschaft, dass die Kirche sich nicht hinter Luxus verstecken darf, unterstreicht Franziskus auch in Kenia einmal mehr: Wenn er nicht im Papamobil fährt, nutzt er auf eigenen Wunsch einen gewöhnlichen Honda-Mittelklassewagen. In sozialen Medien kommentierten viele Kenianer daher schnell, Präsident Uhuru Kenyatta sollte sich den Papst zum Vorbild nehmen. (dpa)