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Nach dem Bürgerentscheid beschimpfen sich im Internet Befürworter und Gegner Schlammschlacht von "Dumpfbacke" bis "Botoxspritzer"

23.03.2011, 04:29

Altstadt. Die Debatte um den Wiederaufbau der Ulrichskirche scheint nach dem Bürgerentscheid schärfer zu werden, als sie es vor der Abstimmung war. Vor allem im Internet hagelt es zwischen Befürwortern des Wiederaufbaus und Gegnern gegenseitige Beschimpfungen. In die hat sich auch ein Stadtrat eingemischt, der mit seiner pointierten Aussage auf sich aufmerksam macht. Der SPD-Stadtrat Olaf Czogalla teilt seine Meinung via Kurznachrichtenportal Twitter mit. Nach dem Bürgerentscheid "twittert" er wörtlich: "Ich nenne es wie ich will. Mir tun nur die leid, die sich für diese Sache eingesetzt haben, und mit Dumpfbackigkeit ausgebremst werden."

Kurz nach Erscheinen seines Beitrages in dem Portal bricht ein Sturm der Entrüstung los. Auch mehrere Leser der Volksstimme melden sich. Sixten Hofmann schreibt: "Wenn Herr Czogalla meint, er müsste fast 84 000 Magdeburger als ,Dumpfbacken‘ bezeichnen, dann hat er sein Amt verfehlt und soll verdammt noch mal seinen Hut nehmen."

Olaf Czogalla ist ein erfahrener Stadtrat (1990-1994, seit 1999) und Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr.

Leser Wolfgang Cleve schreibt: "Ich fühle mich persönlich angegriffen. Er kann nicht über 75 Prozent der Magdeburger als Dumpfbacke bezeichnen. So kann man auch Wähler verlieren. Ich dachte, wir sind freie Bürger und können selbst entscheiden, was wir wollen. Eine Entschuldigung wäre angebracht."

Was aber sagt der Stadtrat selbst dazu? Als die Volksstimme Olaf Czogalla gestern Mittag am Telefon erreicht, will er zunächst nichts sagen: "Dazu äußere ich mich nicht", antwortet er kurz angebunden. Erst als die Volksstimme nachbohrt und von Leserbriefen gegen seinen Interneteintrag berichtet und anführt, Lesermeinungen nicht ohne seine Stellungnahme drucken zu wollen, wird der Stadtrat etwas gesprächiger. Olaf Czogalla: "Ich habe das geschrieben, weil auch ich im Internet angegriffen wurde, auch schon vor dieser Äußerung. Ich habe aber inzwischen den Account (Seite mit dem Eintrag - d. Red.) im Internet gelöscht. Mehr möchte ich wirklich nicht sagen."

Auch nicht dazu, dass er mit dem Eintrag auch OB und Parteifreund Lutz Trümper (SPD), ein erklärter Wiederaufbaugegner, ebenfalls der "Dumpfbackigkeit" bezichtigt? "Der ist natürlich nicht gemeint. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass hier eine Initiative, in der mit viel Herzblut für den Wiederaufbau gekämpft wurde, durch die Dumpfbackigkeit einer anderen Initiative ausgebremst wurde." Als die Volksstimme um weitere Stellungnahme zu dem Interneteintrag mit Hinweis auf die Leserbriefe bittet, lehnt Czogalla schroff ab und sagt: "Sie drucken doch sonst auch nicht jeden Leserbrief. Passen Sie auf, dass Sie das nicht zu hochdrehen. Die Diskussion ist für mich beendet."

Vier Stunden später folgt dann doch der Rückzieher. Olaf Czogalla meldet sich gegen 17.30 Uhr in der Redaktion und gibt zu Protokoll: "Ich ziehe meine Äußerung zurück und bedaure es, wenn sich jemand getroffen fühlt. Die Aussage war eine Art Affekt auf Beleidigungen mir gegenüber." SPD-Fraktion und OB übersandte er zeitgleich ein Entschuldigungsschreiben.

Trotzdem: Im Internet sind weitere kritische, pointierte und bisweilen fragwürdige Einträge zu finden, die nicht von der feinen Art sind.

Bürgerentscheids-Initiatorin Bettina Fassl, die sich am Montag gegenüber der Volksstimme noch moderat zum Bürgerentscheid und über ihre Kontrahenten geäußert hatte, schreibt Stunden später auf ihrer Internetseite u. a. wörtlich: "Ist ja nicht böse gemeint, aber wir haben die Nase voll von dem Initiator und seiner Clique, diesem ,Botoxspritzer", der uns jetzt seit 2007 mit seiner fixen Idee auf die Nerven ging und nun, nach diesem mehr als eindeutigen Votum, immer noch keine Ruhe gibt."

Gemeint ist Dr. Tobias Köppe, Vorsitzender des Kuratoriums Wiederaufbau der Ulrichskirche und im beruflichen Leben als Arzt tätig.

Ist das demokratischer Umgang oder schon Diffamierung?

Bettina Fassl sagt auf Anfrage der Volksstimme: "Angesichts der Beschimpfungen uns gegenüber kann einem schon mal der Kragen platzen. Und was den Begriff des ,Botoxspritzers‘ angeht, so habe ich den ja in Anführungszeichen gesetzt."