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Kritik an "verwässertem" EM-Modus - Löw: "Fragwürdig"

21.02.2014, 10:26

Nizza - Für Joachim Löw ist der neue Modus "fragwürdig", Oliver Bierhoff spricht ungeschminkt von "Verwässerung". Mitten in der heißen Planungsphase für die WM in Brasilien muss sich der Bundestrainer schon mit der EM 2016 beschäftigen.

Und der Ausblick auf das Mammut-Turnier in Frankreich löst beim Bundestrainer und beim Teammanager wahrlich keine Vorfreude aus. "Als Trainer halte ich die Aufstockung des Teilnehmerfeldes bei einer Europameisterschaft für fragwürdig", sagte DFB-Chefcoach Löw vor der Auslosung der neun Qualifikationsgruppen in Nizza.

"Das gilt auch für die neue Qualifikationsrunde. Der sportliche Wert einzelner Spiele, aber auch des gesamten Wettbewerbs sinkt", ergänzte Löw, der von seiner jüngsten Champions-League-Tour an die Côte d\'Azur reist. "Gefühlt ist der neue Modus eine Verwässerung", sagte Teammanager Oliver Bierhoff der Nachrichtenagentur dpa.

Erstmals werden bei der EM-Endrunde 24 Mannschaften teilnehmen. In der Qualifikation setzen sich daher der Erste und Zweite jeder Gruppe sicher durch, sogar als Dritter hat man noch gute Chancen. Insgesamt qualifizieren sich 23 von 53 startenden Teams. Frankreich als Gastgeber und UEFA-Mitglied Nummer 54 ist automatisch bei der Endrunde dabei, spielt die Qualifikation kurioserweise als weitere zwiespältige Neuerung aber außer Wertung mit.

Für Top-Teams wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bedeutet der neue Modus: Wenig Druck, wenig Konkurrenzkampf und letztlich wenig Wettbewerb auf höchster Ebene, den Löw so liebt. "Die Qualifikation ist Pflicht. Wenn sie vorher schon Pflicht war, ist sie jetzt erst recht Pflicht", bemerkte ein kritischer Bierhoff.

Die DFB-Auswahl ist als einer von neun Gruppenköpfen gesetzt. An der sportlichen Zielsetzung lässt Löw keine Zweifel. "Es muss immer unser Anspruch sein, die Gruppe zu gewinnen, die uns zugelost wird", sagte er. "Mit diesem Selbstverständnis fahren wir auch nach Nizza."

Löws Torwarttrainer Andreas Köpke kommt eine besondere Aufgabe zu. Gemeinsam mit zwölf anderen ehemaligen europäischen Top-Keepern von Dino Zoff bis Peter Schmeichel wird der Europameister von 1996 bei der von Ruud Gullit und Bixente Lizarazu moderierten Show im Palais des Congrès Acropolis die Lose ziehen.

Die deutsche Elf wird aus TV-Vermarktungsgründen wie auch Spanien, Italien, England und die Niederlande in eine von acht Sechsergruppen gelost. Somit sind dem neuen Fernsehpartner RTL zehn Pflichtspiele garantiert. Gastgeber Frankreich füllt die einzige Fünfergruppe I auf.

Als schwerste Gegner droht Deutschland aus Topf 2 einer der WM-Teilnehmer Schweiz, Belgien oder Kroatien - kein Grund zu größerer Sorge also. Mit ein bisschen Glück ist sogar eine superleichte Gruppe mit Ungarn, Slowenien, Estland, Moldau und UEFA-Neuling Gibraltar möglich. Unangenehmer könnten da schon die möglichen weiten Reisen an alle Enden des Kontinents von Island bis Israel oder wieder einmal Kasachstan sein.

Gespielt wird durch die neue Zentralvermarktung der UEFA vom 7. September 2014 bis 13. Oktober 2015 erstmals im sogenannten Rhythmus der Week of Football (Fußballwoche). Dies bedeutet, dass feste Doppelspieltage immer Donnerstag/Sonntag, Freitag/Montag und Samstag/Dienstag sind. Jeden Tag sollen Topteams im TV zu sehen sein.

Bierhoff schwankt noch zwischen Lust und Zweifel ob der neuen Vermarktungsstrategie. "Zum Phänomen Fußball gehört, dass trotz des großen Angebots noch keine Übersättigung eingetreten ist. Irgendwie kann man sich Fußball jeden Tag ansehen, und man ist immer wieder fasziniert und begeistert", sagt er. Aber: "Wir müssen dennoch aufpassen und dürfen den Fußball nicht zu beliebig werden lassen."

Wirtschaftlich wird die neue Quali-Regel aber auch beim DFB positiv bewertet. "Für die Vermarktung bietet das neue Modell neue Chancen. Es werden auch neue Partner einsteigen, das sind durchaus positive Perspektiven", sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock.

Ansonsten wird die EM im Nachbarland wegen des aufgeblähten Teilnehmerfeldes beim DFB aber grundlegend skeptisch betrachtet. In einer besonders schwierigen Situation ist dabei Präsident Wolfgang Niersbach, der auch gegen die Aufstockung von 16 auf 24 Teams war, nun aber als Chef der UEFA-Wettbewerbskommission das Turnier maßgeblich mitplanen muss - im Auftrag von UEFA-Chef Michel Platini, seinem Freund und Reform-Initiator.

"Es war eine Mehrheitsentscheidung, der wir uns fügen müssen", sagte Niersbach und monierte dennoch: "Die Qualifikation wird an Spannung erheblich verlieren. Und im Turnier selbst muss man nach einem Modus spielen, bei dem man eine Logarithmentafel braucht."