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EM-Serie für Boll-Team gerissen

28.09.2014, 21:11

Lissabon - Auch ein formstarker Timo Boll konnte seinen Auftritt bei der Tischtennis-EM in Lissabon nicht mit einem Rekord krönen. Nach sechs Titeln in Serie verlor die deutsche Herren-Auswahl das Finale gegen Gastgeber Portugal mit 1:3 und musste sich mit Platz zwei begnügen.

Ein Punkt des Rekord-Europameisters war zu wenig, um als erste Mannschaft des Kontinents sieben Mal hintereinander EM-Gold zu holen. "Portugal hat verdient gewonnen, sehr gut gespielt, fast über dem Limit und die Chance im eigenen Land genutzt", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf und erkannte die Leistung der neuen Titelträger an.

Die Niederlage in einem hochklassigen Finale beendete am Sonntagabend die angestrebte DTTB-Mission Doppel-Gold und eine stolze Serie von 37 siegreichen EM-Matches hintereinander. Zuletzt hatten die Herren des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) im März 2005 in Aarhus gegen Rumänien verloren. Entsprechend niedergeschlagen gratulierten Boll und seine Mitstreiter Dimitrij Ovtcharov, Steffen Mengel und Patrick Franziska den erstmals erfolgreichen Portugiesen zum Sieg.

Für das Quartett, das trotz widrigster Umstände das seit 2007 bestehende Titel-Abonnement unbedingt verlängern wollte, war das EM-Gold der DTTB-Damen kein richtiger Trost. Das Team von Bundestrainerin Jie Schöpp hatte zuvor mit einem hart erkämpften 3:0 gegen Österreich den Vorjahressieg wiederholt und den insgesamt sechsten Titel eingefahren. Die Steilvorlage für die doppelte Titelverteidigung konnten Boll & Co. aber nicht nutzen.

"Das wird ein Adrenalin-Match, das Publikum ist heiß und die Portugiesen haben nichts zu verlieren", hatte Ovtcharov vorhergesagt. Der Europameister behielt recht. 2500 Fans verwandelten die Meo-Arena in ein Tollhaus. Die Auftaktniederlage von EM-Debütant Mengel gegen Portugals Top-Mann Marcos Freitas konterte Boll mit einem Drei-Satz-Sieg gegen Joao Monteiro.

Die Niederlage von Ovtcharov an Position drei gegen Tiago Apolonia vom Bundesligisten Saarbrücken durchkreuzte aber die Pläne von Bundestrainer Jörg Roßkopf. "Dima ist noch nicht richtig fit", sagte Roßkopf. Im Spitzeneinzel kassierte dann Boll gegen den entfesselt aufspielenden Freitas seine einziges Verlustspiel.

Deutlich enger, als es das Resultat aussagt, verlief das Damen-Finale. Die deutschen Spitzenspielerinnen Shan Xiaona und Han Ying gerieten jeweils 0:2 in Rückstand, bewiesen aber tolle Comeback-Qualitäten und drehten ihre Einzel. Die Berlinerin Petrissa Solja steuerte den dritten Punkt bei. "Das ist ein Super-Gefühl", sagte die Weltranglisten-Neunte Han Ying über ihr zweites EM-Gold.

"Wir haben die schwierigen Situationen gemeistert und sind verdient Europameister", lobte Bundestrainerin Jie Schöpp. "Diese Niederlage wirft uns nicht zurück. Wir sind dennoch auf halber Strecke Richtung Rio 2016 gut aufgestellt", bilanzierte Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig nach dem Dämpfer für die Herren. Während die fünf DTTB-Damen deutlich stabiler geworden sind und mit voller Besetzung ihre taktischen Möglichkeiten ausspielten, konnte das Mini-Team der Herren die mentale Stärke in ungewöhnlichen Situationen im Endspiel nicht bestätigen.

Die entthronten Europameister mussten die kurzfristige Absage von Patrick Baum (Trauerfall), die schwere Knöchelverletzung von Franziska in der Vorrunde sowie die verspätete Anreise von Ovtcharov nach einer Zahnoperation wegstecken. "Das war eine Herausforderung, und ich wollte eine Reaktion sehen", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Er musste in allen sechs Partien mit einem Drei-Mann-Team auskommen. "Wir orientieren uns weiterhin an China", fügte der Coach trotzig hinzu.

Der neue Plastikball bestand seine internationale Feuertaufe in der Meo-Arena. Im Vorfeld hatten die DTTB-Asse nur zwölf Bälle für Trainingszwecke erhalten, doch auch dieser missliche Umstand spielte keine Rolle. "Der Ball springt sehr gleichmäßig. Ich konnte gut damit spielen", erklärte Boll. "Pro Team-Match sind zwei bis drei Bälle kaputt gegangen. Das ist in Ordnung. Tischtennis wird durch den Plastikball nicht neu erfunden", meinte Schimmelpfennig.