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Müllskandal Angeklagte schweigen zum Prozessauftakt

Die Aufklärung der Vorgänge um die Tongrube Möckern wird sich monatelang hinziehen.

03.09.2015, 23:01

Stendal. Sechs Angeklagte, 14 Verteidiger, 53 angesetzte Verhandlungstage bis März 2016 – am Landgericht Stendal hat am Donnerstag ein Mammutprozess zum Müllskandal im Jerichower Land begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Geschäftsführern der insolventen Sporkenbach Ziegelei GmbH Möckern vorsätzlichen, unerlaubten Umgang mit Abfällen vor. Edgar E. und Stefan S. sollen dafür verantwortlich sein, dass in der Tongrube Möckern von Juni 2005 bis Mai 2006 rund 170.000 Tonnen Müll illegal entsorgt worden sind. Vier weitere Angeklagte müssen sich wegen Beihilfe verantworten.

Bereits im Jahr 2001 hatte das Landesamt für Geologie und Bergwesen den Grubenbetreibern die Genehmigung zur Verfüllung erteilt. Erlaubt waren zum Beispiel Bauschutt, Erde und Steine – in der Grube sind jedoch auch hohe Anteile Kunststoff, Holz und Papier gelandet. In der rund 80-minütigen Verlesung der Anklageschrift listete Staatsanwältin Iris Benzel detailliert auf, wie viel Tonnen Müll von welchen Unternehmen ins Jerichower Land geliefert wurden.

In den meisten Fällen sind die Abfälle an die Firma HRH Recycling GmbH nach Rietzel verkauft und dort in einer Abfallsortieranlage aufbereitet worden. Für die Anlage, die der Sporkenbach Ziegelei GmbH und der Sulo-Gruppe (heute Veolia) gehörte, besaßen die Angeklagten keine Genehmigung. Von Rietzel wurde der kleingeschredderte Müll zu den Tongruben Vehlitz und Möckern gebracht und dort verfüllt.

Die Ankläger werfen Edgar E. und Stefan S. vor, aus Gewinnsucht gehandelt zu haben. Ihr Ziel sei die „lukrative Beseitigung“ von Müll gewesen. Der Hintergrund: Zum 1. Juni 2005 wurden die Gesetze in Deutschland verschärft. Abfälle müssen seitdem erst in einen Müllofen, bevor sie auf eine Deponie kommen. Die Entsorger kostet das etwa 100 bis 170 Euro pro Tonne. Die Sporkenbach Ziegelei GmbH in Möckern nahm den Müll für rund 20 Euro pro Tonne ab. Die Sulo-Gruppe sparte dadurch laut Staatsanwaltschaft jährlich etwa 10,4 Millionen Euro Entsorgungskosten, Sporkenbach erwirtschaftete einen Millionengewinn.

Die sechs Angeklagten wollten sich am ersten Prozesstag nicht zu den Vorwürfen äußern.

Für Staatsanwältin Benzel ist jedoch klar: Geschäftsführer Edgar E. war der „große Chef“. „Er hat die Geschicke maßgeblich in die Hand genommen“, sagte sie. Die Geschäftsführer hätten die gesetzlichen Vorschriften gekannt, vorsätzlich missachtet und so Umweltschäden billigend in Kauf genommen.

Infolge der Einlagerungen sind kontaminiertes Sickerwasser und Schwefelwasserstoff ausgetreten. Es habe eine „akute Gefährdung der menschlichen Gesundheit“ bestanden, sagte die Staatsanwältin. Die Kosten zur Gefahrenabwehr in der Tongrube, die noch rund 20 Jahre dauern sollen, schätzt die Staatsanwaltschaft auf rund 58 Millionen Euro.

Die Landesregierung verhandelt seit Jahren mit Veolia, welche die Sulo-Gruppe übernommen hat, über eine Beteiligung an den Sanierungskosten. Die Details sollen geheim bleiben. „Über den Inhalt der Gespräche ist Vertraulichkeit vereinbart worden“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage der Volksstimme.