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Kloster Jerichow Grüße aus dem Mittelalter

Der Klostergarten in Jerichow wurde vor nicht mal zwei Jahrzehnten angelegt. Zugrunde liegen allerdings historische Vorbilder.

24.08.2016, 23:01

Jerichow l Wenn man mit Diana Müller durch den Klostergarten geht, hat sie in jedem Winkel Interessantes zu erzählen – über die Pflanzen, ihre frühere Nutzung, über Rezepte für den Kochtopf als auch fürs Färben von Stoffen. Manch „Pikantes“ ist dabei, das die Besucher von heute sich schütteln lässt, im Mittelalter aber gang und gäbe war. Sie zeigt auf den Färberwaid: „Der wurde einst felderweise angebaut und bis viermal im Jahr geerntet, auf der Wiese ausgelegt und getrocknet, in der Waidmühle gemahlen, in faustgroße Ballen geformt und zum Markt gefahren. Die Färber haben ihn zerstoßen und mit Urin versetzt.“ Das war ein Beizmittel, dazu da, dass die Farbe in den Stoffen waschecht wurde. Und noch etwas Interessantes: „Ein weißes Tuch wurde erstmal gelb. Erst durch Oxydation entsteht ein blauer Ton, der immer anders war. Das konnte man nie voraussagen.“

Der Färbergarten ist Teil des Feldgartens mit langen, schräg angelegten Flachbeeten. „Hier werden Pflanzen gezeigt, die früher außerhalb der Klostermauern angebaut wurden.“ Alte Getreidearten wie Emmer und Einkorn gehören dazu, Hirse ebenfalls, aber auch viele andere alte Kultursorten.

Die Hauptattraktion für die Besucher sind jedoch die aus Weidenruten geflochtenen Hochbeete im vorderen Teil. 21 Beete mit etwa 50 verschiedenen Pflanzenarten sind es. Insgesamt werden im Klostergarten etwa 200 Arten und Sorten angebaut.

Der Garten mit Hoch- und Flachbeeten wurde im Jahr 2002 angelegt. Das Projekt erarbeitet und maßgeblich umgesetzt haben damals zwei Studentinnen, Ivette Grafe und Marion Rose. Das Problem: Sie konnten auf keinerlei historische Unterlagen des Klosters Jerichow zurückgreifen. „Es ist nichts überliefert“, betont Diana Müller. Also studierten sie andere historische Lektüre, zogen unter anderem Hildegard von Bingen zu Rate und den Klosterplan von Sankt Gallen.

Die Hochbeeteinfassungen sind nach mittelalterlichem Vorbild aus Weidenruten gestaltet. „Aber die Beete waren früher nicht so hoch. Hier wurden sie höher gebaut, damit auch wärmeliebende Pflanzen gut gedeihen. Durch die Verrottung im Beet ist die Erde hier acht bis neun Grad wärmer.“ Und zweitens sei es ein Schaugarten, der den Besuchern eine andere Perspektive auf die Pflanzen bieten soll.

Dazu gehört auch, dass die Besucher einmal sehen, wie schön viele Gemüsepflanzen blühen. Denn in heimischen Gärten werden sie ja meist vor der Blüte geerntet. Einige Pflanzen sind zu finden, die hier in der Gegend im Mittelalter nicht im Anbau waren, wohl aber in südlicheren Ländern – Linsen zum Beispiel oder Kichererbse und Flaschenkürbis.

Zwischen Hochbeetgarten und Feldgarten steht das alte Pumpen- und Heizhaus. Das wurde in die Gestaltung einbezogen. Wer in den hinteren Raum geht, dem wehen würzige Düfte entgegen. Bündel von Kräutern hängen hier überall, umgeben von allerhand historischen Utensilien. Wie ein kleines Museum wirkt der Raum und wie eine „Kräuterhexenküche“ dazu. Auch jede Menge Samentüten gibt es. Denn Samen wird hier selbst geerntet für die eigene Verwendung, aber auch in kleine Tütchen verpackt für interessierte Besucher. Auch Töpfe mit allerhand Kräuterpflanzen stehen bereit und können für eine kleine Spende mitgenommen werden.

Auf dem alten Schornstein des Pumpenhauses nistet jedes Jahr ein Storchenpaar und lässt sich vom Trubel hier unten nicht stören, auch nicht von den Besuchern des Klostergarten-Cafés im vorderen Teil des Gebäudes und nicht vom historischen Klostergartenfest, das im Juli 2017 schon zum 15. Mal gefeiert wird.

Stück für Stück ist der Klostergarten weiter gewachsen. Lauschige Ecken mit Bänken, wo Besucher entspannen können, kamen dazu, ein Spielplatz mit Weidenrutentunneln, und im Jahr 2014 wurden in Vorbereitung auf die BUGA in der Havelregion gleich mehrere ganz verschiedene Gartenbereiche neu angelegt. Aufgrund dieser Vielfalt erhielt das Kloster dann das Siegel „Von der BUGA empfohlen“.

Fast alle der damals angelegten Gartenteile haben auch weiterhin Bestand. So grüßt gleich hinterm neuen Eingang zum Klostermuseum farbenfroh der „Industriegarten“, der seinen Namen daher hat, weil sich hier einst die alte Brennerei befand. Nebenan der alte Malzkeller ist heute Veranstaltungsraum und Trauzimmer. Den „Industriegarten“ zieren nicht nur Blumen, sondern auch allerhand alte Gerätschaften, die wunderbar in die Bepflanzung integriert sind.

Vor dem Westtor der Klosterkirche wurde ein kleiner „Paradiesgarten“ angelegt, gegenüber stehen zwei Wohnfässer für Fahrradtouristen mitten auf einer Obstwiese, wo speziell Sorten wachsen, die in der neuen Klosterbrennerei verwendet werden können. Dort wird derzeit nicht gebrannt, sondern Alkohol „vergeistet“, wobei der Brennmeister immer neue Kreationen ausprobiert. Zu den Obstsorten gehören auch Seltenes wie Mispeln oder Birnenquitten. Neben der Obstwiese befindet sich ein kleiner Braille-Garten. Im erhöhten breiten Kästen gedeihen hier insbesondere Pflanzen mit duftendem Laub. Gekennzeichnet sind sie mit Braille-Schrift für Sehbehinderte. Im Innenhof des Klosters gibt es sogar einen kleinen „Wüstengarten“ mit Kakteen und anderen trockenheitsresistenten Pflanzen. Ein Ruhegarten mit Liegestühlen, ein Bauernblumengarten und ein alter Obstgarten außerhalb der Mauern runden die Vielfalt ab.

Hier finden Sie weitere tolle Gärten und Gartentipps.