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Wildunfälle steigen Wenn Wild bei Blau in Magdeburg rotsieht

Die Zahl der Wildunfälle stieg auch in Magdeburg wieder leicht an. Der Jagdbeirat der Stadt will gegensteuern und schlägt Maßnahmen vor.

02.01.2017, 23:01

Magdeburg l Manchmal genügen schon kleine Dinge, die große Wirkung zeigen können. Die blauen Reflektoren an den Leitpfosten etwa, zu finden auch in Magdeburg am Straßenrand zwischen Prester und Pechau. Manch Autofahrer fragte sich schon, wozu die kleinen Plastikteile gut sind.

Magdeburgs Kreisjägermeister Dr. Gerd Petzoldt kennt die Antwort. „Sie wirken auf Wildtiere wie eine rote Ampel oder ein Stoppschild auf den Menschen“, sagt er. Das Geheimnis ist die Farbe. Das reflektierende blaue Licht kommt in der Natur so nicht vor. Und was die Tiere nicht kennen, bedeutet für sie: Achtung, Gefahr! Der Wildwechsel wird an diesen gefährlichen Stellen verringert. 65 bis 85 Prozent weniger Wildunfälle sollen es dank der kleinen Helfer sein, haben Fachleute ermittelt. So wirbt auch der Jagdbeirat, in dem der Kreisjägermeister mitarbeitet, für die Anbringung weiterer blauer Reflektoren im Stadtgebiet.

Auf der Strecke nach Pechau hat der zuständige Revierpächter sie aus eigener Tasche bezahlt. Sinnvoll wären die Reflektoren zum Beispiel aber auch an der Breitscheidstraße in Richtung Biederitz. Die Straße gilt als ein Schwerpunkt bei Wildunfällen im Stadtgebiet. Überhaupt kracht es im ostelbischen Bereich in dieser Hinsicht am häufigsten (siehe Grafik), während es im Westen der Stadt keine besonderen Auffälligkeiten gibt, so Gerd Petzoldt.

Warnschilder, die auf Wildwechsel hinweisen wie an der Breitscheidstraße, seien aber nicht ausreichend. „Da wird man auch schnell mal betriebsblind, wenn man täglich die gleiche Strecke fährt“, glaubt Petzoldt.

Der Jagdbeirat, der mit Hilfe der AG Wildtiere Daten der letzten zwei Jahre zu den Wildunfällen ausgewertet hat, empfiehlt daher flankierende Maßnahmen. Der verstärkte Einsatz von Wildwarneinrichtungen - wie etwa die blauen Reflektoren, die es schon zum Stückpreis von 5 bis 6 Euro gibt – gehören dazu. Zusatz-Straßenschilder, die an das Gewissen der Kraftfahrer appellieren (mit Fragen wie: „Könnten Sie jetzt noch bremsen?“) wären eine weitere Ergänzung. Eine „konsequente Bejagung“ steht gleichfalls auf dem Zettel. Auch Geschwindigkeitsreduzierungen an Unfallschwerpunkten sollten laut Petzoldt diskutiert werden.

Ebenso wichtig sei ein regelmäßiges Kurzhalten der Vegetation am Straßenrand. Nicht nur, damit Autofahrer ein breiteres Sichtfeld haben, sondern auch, damit das Wild besser auf Abstand gehalten wird. Denn das schlägt sich gern in größere Gebüsche, wie man sie unter anderem an der Landstraße nach Pechau findet.

So ist der Lauf der Natur: Viele Wildtiere suchen am Tage „Unterschlupf“ in Wäldern oder Gebüschgruppen, abends kommen sie aus ihrer Deckung und wechseln zum Äsen, sprich zur Nahrungsaufnahme, auf die Felder oder Grünflächen. Morgens schlagen sie sich wieder „in die Büsche“. Sie sind also besonders in der Dämmerung (wechsel-)aktiv. Leider eben auch auf den Straßen. Im Herbst und auch im Winter kollidiert das buchstäblich mit dem stärkeren Berufsverkehr.

Im Stadtgebiet haben es die Kraftfahrer vor allem mit Rehen zu tun, die plötzlich über die Straße rennen. Und hier gilt: Eins kommt selten allein! „Dem Muttertier folgen fast immer die Kitze der letzten zwei Jahre“, weiß Gerd Petzoldt. Eine Gefahr, die auch viele unterschätzen. Oft sind in der Elbestadt neben Rehen auch Wildschweine an den Unfällen beteiligt. Aber auch Füchse und Hasen kommen regelmäßig unter die Räder. Diese Fälle werden aber kaum aktenkundig.

Amtlich ist hingegen das: 111 polizeilich erfasste Wildunfälle gab es bis zum 21. Dezember bisher für das Jahr 2016, wie Behördensprecher Marc Becher auf Nachfrage erklärte. Fast jeden dritten Tag kracht es damit aufgrund von Wildwechsel in Magdeburg.

Im ganzen Jahr 2015 waren es 107 Wildunfälle, also etwas weniger. Deutschlandweit ging es steil bergauf: Mehr als zehn Prozent betrug die Steigerung im Jahr 2015, wie aktuelle Zahlen belegen. Die Versicherungen schlagen Alarm. „Für die Begleichung von Wildschäden braucht man zwingend die Teilkasko“, so Petzoldt zur Frage der Schadensregulierung.

Doch zu Schäden sollte es möglichst gar nicht erst kommen. Darum strebt der Jagdbeirat gemeinsame Lösungen mit der Stadt an. „Wir stehen da auch schon mit dem Tiefbauamt in Kontakt“, sieht Petzoldt positive Signale aus dem Amt.

Auch das Thema Straßenbäume spielt dabei eine Rolle. „Wenn neue gepflanzt werden sollen, sollten das keine masttragenden Baumarten wie Kastanie, Eiche oder Buche sein“, betont Gerd Petzoldt. Denn: Kastanien oder Eicheln, die im Winter im Straßengraben liegen, locken die Wildtiere an. „Wenn dann auch noch gestreutes Straßensalz mit versickert, wird das für die Tiere zu einer richtigen Delikatesse. Ähnlich wie für uns gesalzene Nüsse“, meint der Kreisjägermeister.

Statt es fernzuhalten, dürfte das das Wild glatt als Einladung verstehen.