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Ungenutzte Areale Bauen auf Friedhöfen: Platz für neues Leben

Auf Friedhöfen gibt es immer mehr ungenutzten Platz, gleichzeitig fehlen Baugrundstücke in Städten. Eine Lösung könnte die Umwandlung von Bestattungsflächen in Bauland sein. Wissenschaftler und Interessenverbände loben die Idee, warnen aber vor Risiken.

Von Göran Gehlen, dpa 26.04.2017, 09:22

Kassel (dpa) - Ein Wohnhaus auf einem alten Friedhof - das ist womöglich Stoff für Horrorfilme. Oft suchen darin die Verstorbenen dann die Lebenden heim.

Auch wenn das unrealistisch ist: Das Wohnen auf einem ehemaligen Bestattungsort sei nicht jedermanns Sache, bestätigt Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative Aeternitas. Er sagt aber auch: Die Umwandlung von Friedhofsflächen in Bauland könnte große Probleme in Städten lösen.

"Der Trend geht zur Urnenbestattung", erklärt Helbach. Über 60 Prozent der Verstorbenen würden eingeäschert. Vor 20 Jahren sei es nur ein Drittel gewesen. Und weil Urnen weniger Platz brauchen als Särge, hätten viele Friedhöfe große ungenutzte Flächen, deren Pflege Geld koste.

Nach einer Berechnung des Instituts für Kommunale Haushaltswirtschaft (Helsa) aus 2015 sind von 425 Millionen Quadratmetern auf deutschen Friedhöfen 165 Millionen Überhangflächen. Das entspricht mehr als 23 000 Fußballfeldern. 250 Millionen Euro koste der Unterhalt dieser ungenutzten Areale.

Diese Entwicklung trifft auf einen anderen Trend: den Zuzug in Großstädte wie Frankfurt, Berlin, Hamburg und München. "Wir haben vor allem einen Zuzug in die Ballungsräume wie Rhein-Main und große Städte", sagt Kirsten Vogelmann vom Städte- und Gemeindebund in Hessen.

Der Kasseler Architektur-Professor Stefan Rettich kommt zu dem Schluss: "Der Reurbanisierung geht der Rohstoff aus." Gemeint ist dieser Zuzug von Bevölkerung in die Kernstädte. Rettich hat mit Studenten die Umwandlung von Friedhofsflächen in Berlin betrachtet. Die Studierenden entwarfen Modelle für eine Bebauung solcher Flächen. Ihre Erkenntnis: Man muss bei der neuen Nutzung den Charakter des Ortes erhalten, also beispielsweise mit viel Grün planen.

Einig sind sich Wissenschaftler und Interessenverbände in einem: Jeder Fall sollte für sich betrachtet werden. Unproblematisch seien Flächen, wo noch niemand bestattet wurde. Heikel wird es bei früheren Gräbern. "Es ist nicht schön, wenn man einen Keller aushebt und Knochen findet", sagt Aeternitas-Sprecher Helbach. Kommunen, die eine Umwandlung von Friedhofsflächen erwägten, sollten die Idee am besten vorher öffentlich diskutieren. Ausgenommen sind zudem jüdische Friedhöfe: "Nach jüdischem Glauben müssen Gräber ewig bestehen", erklärt Helbach. Und das werde in Deutschland berücksichtigt.

Der Bund der Steuerzahler in Hessen steht dem Bauen auf Friedhöfen offen gegenüber. Man unterstütze die Bestrebungen von Städten und Gemeinden, Kosten zu reduzieren, sagt Sprecher Moritz Venner zur Flächenumwandlung: "Auch dabei erzielte zusätzliche Einnahmen sind natürlich Steuererhöhungen vorzuziehen."