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Zehntausende Patienten mit Verdacht auf Behandlungsfehler

06.05.2014, 12:16
Tausende Patienten glauben, dass bei ihrer OP etwas schiefgelaufen ist. Foto: Felix Kästle
Tausende Patienten glauben, dass bei ihrer OP etwas schiefgelaufen ist. Foto: Felix Kästle dpa

Berlin - Falsch eingesetzte Implantate, verkehrt operierte Knie - im Operationssaal können kleine Fehler eine verheerende Wirkung haben. Mehr Menschen sind zuletzt ihrem Verdacht auf Fehler nachgegangen.

Mehr als 26 000 Patienten haben sich im vergangenen Jahr wegen des Verdachts auf Behandlungsfehler in Krankenhäusern und Arztpraxen bei offiziellen Stellen beschwert. In rund jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt. Trotz verstärkter Bemühungen vieler Krankenhäuser zur Vermeidung von Fehlern sind die Risiken für die Patienten in Deutschland aus Sicht der Krankenkassen nach wie vor viel zu hoch. "Viele Behandlungsfehler wären vermeidbar", sagte der leitende Arzt des Medizinischen Dienstes des Kassen-Spitzenverbands (MDS), Stefan Gronemeyer, bei der Präsentation der neuen
MDS-Statistik zum Thema am Dienstag (6. Mai) in Berlin.


Allein der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstellte demnach 2013 rund 14 600 Gutachten wegen Verdachts auf Fehler. Das sind gut 2000 mehr als im Vorjahr. Bei den Gutachterstellen der Ärzteschaft gingen nach dpa-Informationen zudem rund 12 000 Anträge auf Gutachten ein. Diese Zahlen sind noch nicht veröffentlicht.

Knapp 3700 Mal kamen die MDK-Gutachter zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Auch bei den Gutachterstellen der Ärzteschaft wurde in rund jedem vierten der untersuchten Fälle ein Fehler festgestellt. Wie viele Patienten sich direkt an Gerichte wenden, ist unbekannt. Die Dunkelziffer ist laut MDS zudem hoch.

Dass sich mehr Menschen beschwerten, liegt laut Gronemeyer unter anderem an mehr öffentlicher Wachsamkeit in dem Bereich und an neueren gesetzlichen Erleichterungen etwa durch das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz. Rund sieben von zehn Vorwürfen richten sich gegen Krankenhäuser, ein Drittel gegen niedergelassene Ärzte.

Am häufigsten hegen Patienten einen Fehlerverdacht nach einer Operation. Insbesondere nach dem Einsatz von Knie- oder Hüftgelenksprothesen haben viele den Eindruck, dass etwas schief gelaufen ist - und lassen die Therapie mit zuletzt mehr als 1000 Fällen überprüfen. Mit mehr als der Hälfte der Fälle liegt bei der Quote der Bestätigungen eines Fehlerverdachts jedoch die Pflege vorn.

Gronemeyer lobte, dass es neue Vorgaben zur Einführung von Fehlermelde- und Risikomanagementsystemen in den Kliniken und Praxis gibt. Doch er kritisierte: "Derzeit ist festzustellen, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Behandlungsfehlern nicht ausreichend umgesetzt sind." Es brauche eine verstärkte Sicherheitskultur. "Der erforderliche Kulturwandel ist aber bestenfalls eingeleitet."

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, gab zu bedenken: "Angesichts von fast 700 Millionen Behandlungsfällen im ambulanten Bereich und mehr als 18 Millionen Fällen in den Kliniken jährlich bewegt sich die Zahl der festgestellten ärztlichen Behandlungsfehler im Promillebereich."


An wen sich Betroffene wenden sollten
Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler wenden sich gesetzlich Versicherte am besten an ihre Krankenkasse. Diese ist gesetzlich dazu verpflichtet, vom Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein kostenfreies Gutachten für Betroffene erstellen zu lassen. Darauf weist die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) hin. Weitere Anlaufstellen sind die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern.

Ein Behandlungsfehler definiert sich der UPD zufolge durch drei Punkte: Zunächst muss ein Schaden vorliegen. Dessen Ursache muss auf die Behandlung zurückzuführen sein. Und es muss nachgewiesen sein, dass bei der Behandlung tatsächlich gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen wurde. Nach Angaben des MDS kann ein Fehler zum Beispiel darauf beruhen, dass der Patient nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechend behandelt wurde. Oder der Betroffene wurde nicht darüber aufgeklärt, wie er sich während einer Therapie verhalten sollte.