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Cholesterinsenker in der Kritik - Statine nicht immer sinnvoll

17.09.2014, 09:19

Bad Nauheim - Erhöhte Cholesterinwerte gelten als ein Hauptrisikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Oft bekommen Patienten Statine vom Arzt verordnet. Diese Mittel sollen das Cholesterin im Blut senken. Ganz unproblematisch sind sie allerdings nicht.

Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland haben erhöhte Cholesterinwerte. Diese gelten als ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie
Herzinfarkt und Schlaganfall. Wenn mehr Bewegung, Abnehmen und eine Ernährungsumstellung nicht ausreichen, sind cholesterinsenkende Medikamente das Mittel der Wahl - aber nicht immer ohne Risiko.


Erste Hinweise zur Einschätzung des Erkrankungsrisikos liefert der Gesamt-Cholesterinspiegel. Liegt er oberhalb von 200 Milligramm pro Deziliter (mg/dl), ist es sinnvoll, auch die Cholesterin-Untergruppen LDL und HDL messen zu lassen. Das "schlechte" LDL fördert Arteriosklerose und somit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Neben den Cholesterinwerten müssen bei der Beurteilung jedoch unbedingt auch Faktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Alter, Geschlecht und eine mögliche familiäre Veranlagung berücksichtigt werden", erklärt Prof. Nikolaus Marx von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Es zähle das Gesamtrisiko und nicht nur der Cholesterinwert.

Ist das persönliche Erkrankungsrisiko bekannt, gilt die Regel: Je höher das Risiko, desto eher helfen Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels. Bevor Betroffene aber Pillen schlucken, sollten sie ihre Ernährungsgewohnheiten und ihre Lebensweise hinterfragen.

Dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zufolge liefern viele Studien Hinweise darauf, "dass eine Ernährung, die arm an gesättigten Fettsäuren ist, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann". Dabei sei es nicht nötig, sich grundsätzlich fettarm zu ernähren, sondern mehr pflanzliche Lebensmittel und Fisch zu essen als Fleisch und fette Milchprodukte. Daneben sind Nichtrauchen und ein aktiver Lebensstil wichtig.

Als der Goldstandard für die medikamentöse Therapie erhöhter Cholesterinspiegel gelten Statine, die in den Fettstoffwechsel eingreifen und die Cholesterinproduktion unterbinden. Bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Patienten, der sogenannten Sekundärprävention, ist ihr Einsatz unumstritten. In der Primärprävention, also zur Vorbeugung bei eigentlich Gesunden, wird darüber allerdings diskutiert: Viele Patienten klagen über Muskelbeschwerden, so dass oft die Dosierung verringert werden muss.

Wer regelmäßig
Statine einnimmt, hat außerdem ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Das Risiko hänge von der Dosierung und der genauen Art des Wirkstoffs ab, berichtete 2013 eine Forschergruppe im "American Journal of Cardiology". Laut einer im selben Jahr von der Cochrane Collaboration durchgeführten Meta-Analyse sind Statine aber insgesamt als sicher einzustufen und gut geeignet, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.


Für Diskussionen unter europäischen Herz-Kreislauf-Spezialisten sorgten aber die Ende 2013 von den US-amerikanischen Fachgesellschaften veröffentlichten neuen Behandlungsempfehlungen. "Die Empfehlungen der US-Leitlinien haben zur Folge, dass viel mehr Menschen einer Risikogruppe zugeordnet und vorbeugend mit Statinen behandelt werden müssten", erklärt DKG-Experte Prof. Marx. "Die Statin-Therapie bekommt dadurch ein sehr hohes Gewicht." Laut DGK sollte die aktuelle Behandlungsstrategie in Europa stärker in ein Gesamtkonzept der Risikominimierung eingebettet bleiben.

In Zukunft werden Betroffene wohl zwischen Alternativwirkstoffen wählen können: Wie US-Ärzte 2013 im "Journal of Cardiovascular Pharmacology and Therapeutics" berichteten, bieten sich viele Wirkstoffe, die in klinischen Studien getestet werden, für Patienten mit Statin-Intoleranz an. Auch die, die allein mit Statinen nicht die angestrebte Senkung der Blutfettwerte erreichen, könnten davon profitieren. Mit einer Zulassung der neuen Wirkstoffe ist jedoch frühestens in drei bis vier Jahren zu rechnen.