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Teure Vorliebe für sichere Anlagen: Zinstief trifft Sparer

23.07.2014, 13:19

Frankfurt/Main - Die Nullzinspolitik der EZB erhitzt die Gemüter, die deutsche Finanzbranche wettert gegen die "Enteignung der Sparer". Doch Zahlen der Bundesbank belegen: Mit Spareinlagen verlieren Anleger meist auch in Hochzinsphasen Geld.

Es ist paradox: Obwohl die Zinsen seit Monaten extrem mickrig sind, legen die Menschen in Deutschland ihr Geld bevorzugt auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto an. Um Aktien machen sie hingegen einen Bogen. Die Deutsche Bundesbank sieht eine "gewisse Risikoaversion". Doch die Vorliebe für scheinbar sichere Anlagen kommt die Bürger teuer zu stehen: Weil Sparzinsen meist unter der Inflationsrate liegen,
verlieren sie real Geld. Experten werfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrer Nullzinspolitik zugunsten kriselnder Euroländer die Sparer hierzulande zu enteignen.


Europas oberster Währungshüter Mario Draghi will sich diesen Schuh nicht anziehen. Er nehme die Sorgen sehr ernst, doch "die Zinssätze, die wir festlegen, gelten für Banken, nicht für die Menschen". Der EZB-Präsident betont: "Die Behauptung, wir wollten Sparer enteignen, ist völlig falsch." Man wolle genau das Gegenteil: das Wachstum unterstützen. Dann werde auch das Zinsniveau wieder anziehen.

Tatsächlich zeigen Zahlen der Bundesbank, dass Sparer in den vergangenen 40 Jahren immer wieder reale Verluste hinnehmen mussten, wenn sie ihr Geld in kurzfristigen Spareinlagen (maximal drei Monate Kündigungsfrist) anlegten. Und zwar nicht nur, wenn der Leitzins wie aktuell bei 0,15 Prozent liegt. Auch weitaus höhere Zinsen liegen meist noch unterhalb der Inflation, die dann die Rendite auffrisst.

Trotzdem war der Aufschrei selten so groß wie derzeit. "Die anhaltende Niedrigzinspolitik beschädigt die dringend notwendige Altersvorsorge", wettert etwa Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Gerade die Menschen in Deutschland legten ihr Geld traditionell sicher an und litten daher besonders unter den Mini-Zinsen.

Tatsächlich müssen immer mehr Verbraucher sogar ganz auf eine Verzinsung ihrer Tagesgeldkonten verzichten, berichtete die "Welt am Sonntag". Nach einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox zahlen mittlerweile 198 von 635 Instituten in Deutschland keinen Zins mehr auf Tagesgeldkonten. Die Bundesbank gibt den durchschnittlichen Effektivzinssatz für den Monat Mai - also noch vor der jüngsten Leitzinssenkung im Juni - mit 0,36 Prozent an. Die Inflationsrate lag in diesem Monat mit 0,9 Prozent deutlich höher.

Trotzdem steckt immer mehr Geld auf Tagesgeldkonten. Laut Bundesbank hatten private Haushalte Ende Mai 964 Milliarden Euro auf täglich fälligen Konten - ein Jahr zuvor waren es 83 Milliarden Euro weniger.

Aktien vertrauen deutsche Sparer hingegen nicht. Obwohl die Börsen 2013 boomten - der deutsche Leitindex Dax legte um 25 Prozent zu -, trennten sich nach Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) rund 600 000 Menschen von Aktien oder Fonds.

Damit waren nur noch 8,9 Millionen Deutsche direkt oder indirekt in diesen Wertpapieren engagiert. DAI-Chefin Christine Bortenlänger klagt: "Gerade in der derzeit anhaltenden Niedrigzinsphase müsste die Aktie Anleger anziehen. Als relativ renditestarke Anlageform ist sie bei einer ausgewogenen Geldanlage eigentlich unverzichtbar."

Jens Wilhelm, Vorstand der Union Asset Management Holding, sieht durch das Sicherheitsbedürfnis in Kombination mit dem Niedrigzinsumfeld gar den Wohlstand der Deutschen akut gefährdet: "Es besteht dringender Handlungsbedarf, da dem Sparer sein bester Verbündeter, der Zinseszinseffekt, abhandengekommen ist."

Doch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) rechnet auch 2014 nicht mit einer Trendwende beim Sparverhalten der Deutschen. Die Sparquote wird demnach auf dem Vorjahresniveau von 10,0 Prozent bleiben - 2008 sparten die Menschen hierzulande noch 11,5 Prozent ihres Einkommens. Die Sparquote sei bisher zwar nicht ins Bodenlose gefallen, ihre sinkende Tendenz sei aber eine Gefahr für die finanzielle Altersversorgung. Denn eigentlich müsse die Quote sogar steigen, sagt BVR-Vorstandsmitglied Andreas Martin: "Ansonsten erhöhen sich die Risiken von Altersarmut in Deutschland."