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Ein schmaler Grat Flexibilität im Job hat nicht nur Vorteile

Dienstschluss, Arbeitsweise und sogar die Aufgaben: Viele Berufstätige entscheiden über solche Dinge inzwischen selbst. Neue Arbeitszeitregelungen, moderne Management-Methoden und digitale Technik machen es möglich. Doch nicht jeder kommt damit klar.

Von Tobias Hanraths, dpa 13.03.2017, 03:33

Frankfurt (dpa/tmn) - Punkt 8.00 Uhr ist Dienstbeginn, jede Arbeitsanweisung kommt vom Chef - und ohne Erlaubnis fasst man am besten gar nichts an. Solche strengen Regeln gehören an vielen Arbeitsplätzen der Vergangenheit an. Selbstorganisation und Selbstführung lauten die Zauberworte.

Mitarbeiter sollen heute selbst entscheiden, wie sie ihr Ziel am besten erreichen, wie viel und wo sie arbeiten. Doch unter Umständen ist das der direkte Weg in die Selbstausbeutung.

Beispiele für diesen Trend gibt es genug. Immer öfter kümmern sich Mitarbeiter selbst um Dinge, für die es früher im Unternehmen Personal gab, sei es für die Reisekostenabrechnung oder die Materialbeschaffung. "Mit Eigenverantwortung hat das nichts zu tun", sagt Vanessa Barth vom Vorstand der IG Metall. "Da geht es eher darum, Kosten einzusparen."

Positiver sieht sie Managementtechniken wie die sogenannten agilen Methoden. Sie stammen aus der Softwareentwicklung, kommen heute aber auch in vielen anderen Branchen und Bereichen zum Einsatz. Eine der Grundideen dabei ist, dass Teams und Mitarbeiter sich selbst organisieren, Ziele und den Weg dahin selbst festlegen und auch den Fortschritt in Eigenregie überprüfen.

"Grundsätzlich gibt es einen Trend zu mehr Eigenverantwortung", sagt Barth. Das liegt auch an den Möglichkeiten der Digitalisierung: "Ein Grund ist die technische Veränderung der Arbeitswelt", erklärt Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Per Videokonferenz ist man selbst auf dem heimischen Sofa in Meetings dabei.

Selbstorganisation und -führung gibt es aber noch nicht überall. "Das ist ein wenig eine Frage der Branche und der Position", sagt Karriereberaterin Svenja Hofert. Wer sich von zu viel Eigenverantwortung gestresst fühlt, kann daher zwar versuchen, das zu ändern - zum Beispiel mit Fortbildungen rund um Selbstorganisation oder Aufbauseminare für Führungskräfte. Eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht, warnt Hofert. "Unabhängiges Arbeiten ist für den Einzelnen lernbar, aber nur begrenzt", sagt sie. "Zum Teil ist das aber einfach eine Frage der Persönlichkeit und damit unveränderlich."

Deshalb rät die Expertin Arbeitnehmern auch, sich Selbstführung nicht aufzwingen zu lassen: Braucht jemand zum Beispiel konkrete Anweisungen und regelmäßiges Feedback, sollte er das in einem Mitarbeitergespräch ruhig selbstbewusst einfordern. Denn eine Schwäche sei das nicht: Wer mit klaren Anweisungen besser arbeitet, ist oft besser oder genauer bei deren Umsetzung als jemand, der gerne eigene Ziele setzt. "Da ist dann die Führung gefragt, die herausfinden muss, welcher Mitarbeiter was braucht", so Hofert.

Auch Josephine Hofmann sieht die Verantwortung für erfolgreiche Selbstführung eher beim Unternehmen: Entscheidend sei, wie die Idee umgesetzt wird. "Häufig werden Leute damit überfordert, weil sie dafür die Kompetenzen nicht haben", erklärt die Expertin. So könne es zum Beispiel passieren, dass jemand zwar die Verantwortung für die Fertigstellung eines Großprojekts trägt, dabei aber nicht die Entscheidungsgewalt hat, Personal- und Ressourcenengpässe auszugleichen. "Da kann dann ein Zwang zur Selbstausbeutung entstehen."