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"Kleine Hände - großer Profit" Missstand Kinderarbeit - Ein Aktivist prangert an

An unseren Teppichen und Pflastersteinen klebt das Blut unschuldiger Kinder, sagt Benjamin Pütter. Der Kinderarbeitsexperte kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte der Kleinen. Mit einem Buch will er die Verbraucher mobilisieren.

Von Doreen Fiedler, dpa 04.07.2017, 14:12
Benjamin Pütter prangert Kinderarbeit an. Foto: Wilhelm Heyne Verlag
Benjamin Pütter prangert Kinderarbeit an. Foto: Wilhelm Heyne Verlag Wilhelm Heyne Verlag

Freiburg (dpa) - Die zehnjährige Shine blickt den Leser vom Cover des Buches "Kleine Hände - großer Profit" direkt an, in der Hand ein Teppichmesser. Täglich müsse sie 6000 bis 9000 Knoten knüpfen, erzählt Autor Benjamin Pütter.

"Es bewegte mich tief, mit welchen traurigen Augen und schmerzenden Händen Shine an einem Teppich für Käufer in Deutschland arbeitete und doch so gern - dies erzählte sie mir später unter Tränen - mehr lernen würde."

Experte Pütter (59) reist seit fast vier Jahrzehnten in die Länder, in denen Kinderarbeit besonders verbreitet ist. Dabei führte ihn sein Weg immer wieder nach Indien, wo schon die Kleinsten in Steinbrüchen schuften, Teppiche weben, Räucherstäbchen herstellen und Feuerwerkskörper produzieren. Seine Erlebnisse und Erkenntnisse hat Pütter in ein mit Wut geschriebenes Sachbuch gepackt, das die Konsumenten in der westlichen Welt aufrütteln soll.

"Es ist meine Lebensgeschichte", sagte Pütter der Deutschen Presse-Agentur. Kinderarbeit berührt ihn tief - deswegen greift er im Buch auch gnadenlos an, nennt Namen und Firmen. Er zeigt mit dem Finger auf Steinmetze in Deutschland, zahnlose Gesetze und Korruption in Indien, sinnlose Gütesiegel sowie deutsche Kommunen, die Steine auf ihren Plätzen und Straßen verlegen, die wahrscheinlich aus Kinderarbeit stammen. 

Immer wieder erzählt Pütter eindrücklich von den Arbeitsbedingungen der "modernen Sklaven" in Indien. In den Steinbrüchen seien schon die Babys bei der Arbeit ihrer Eltern dabei und den ganzen Tag lang Lärm und Staub ausgesetzt. Damit sie nicht stören, würden sie mit Opium ruhiggestellt. Im Alter von vier oder fünf Jahren arbeiteten sie mit, etwa indem sie Steine zerkleinerten. Mit dem Alter wachse der Hammer der Kinder: "Das ist die einzige Entwicklung in ihrem Leben."

168 Millionen Kinder arbeiten nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO weltweit. Das ist immerhin ein Drittel weniger als im Jahr 2000. Und auch die Aufmerksamkeit für das Thema sei mittlerweile hoch, schreibt Pütter, was unter anderem an der Vergabe des Friedensnobelpreises 2014 an seinen einstigen Mitstreiter Kailash Satyarthi zu beobachten sei. "Eine andere Welt ist also möglich", meint Pütter und fordert: Die Politik in Deutschland müsse Bestimmungen erlassen, dass Importware zwingend ein unabhängiges Siegel trägt.

Es lasse ihn einfach nicht los, sagte Pütter, dass Kinder durch das Hämmern immer wieder ein oder zwei Finger verlören. Oder dass sie in Knechtschaft arbeiteten, ohne Aussicht auf Freiheit. Besonders nahe gehe ihm das Schicksal von Shamshundar, der verschleppt und später von einem Knüpfstuhlbesitzer mit dem Metallkamm, mit dem die Knoten zusammgengeschoben werden, erschlagen worden sei. Für das Verbrechen sei der Mann nie belangt worden. "Das tut mir weh: Diese Hilflosigkeit, die Ungerechtigkeit gegenüber den Hinterbliebenen. Das nagt an mir, dass ich da nichts tun kann. Das nagt am meisten."

ILO zu Kinderarbeit

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