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Leipziger Buchpreis Elementare Lyrik - Steffen Popps "118 Gedichte"

Eigenwillig, experimentell, elementar: Steffen Popps Gedichtsband hat es auf die Shortlist des Leipziger Buchpreises geschafft.

Von Frauke Kaberka, dpa 21.03.2017, 23:01

Berlin (dpa) - Lyrik kennt keine Grenzen - weder in sich, noch in ihrer Wirkung.

Wer sich mit Steffen Popps Gedichten beschäftigt, erweitert umgehend seinen Verständnishorizont. Und das immer wieder aufs Neue, wie momentan auch die "118 Gedichte" des 38-jährigen Wahl-Berliners ("Dickicht mit Reden und Augen", 2013) belegen. Das Buch ist für den Leipziger Buchpreis nominiert. Vor zwei Jahren hatte dort erstmals ein Gedichtband gewonnen - Jan Wagners "Regentonnenvariationen".

Was also ist das Besondere an Popps Dichtkunst, das sie nicht nur für die Juroren so interessant macht? Schwer zu sagen, weil nicht wirklich fassbar. Es sind Gedanken oder Gedankenfetzen mit eigenwilliger Zeichensetzung zu Dingen, Gegebenheiten, Umständen, Launen - zu allem, zu scheinbar nichts. Und doch so oft voller ästhetischer Echtheit. Wie könnte man wohl anschaulicher die Verarbeitung eines frischen Fangs auf dem Fischmarkt ausdrücken als so: "Morgenbrise kickt ausgefallene Augen Flossen, stumpfe Schuppen über frühen Fischmarkt." (Aura)

Doch so leicht macht es Popp, der Philosophie und Germanistik studierte und regelmäßig etwa in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Gedichte veröffentlicht, seinem Publikum nicht durchweg. Der gebürtige Greifswalder kann auch anders. Mit fast grausamer Launenhaftigkeit konfrontiert er den Leser urplötzlich mit schweren Geschützen: "Dokus Orkus Mutabor Zickzack Tamtam ruckzuck so sick solo Zahn Niete Cash ..." (Mutabor). Kurz: Er fordert für manch kauzige Formulierungen ein gleichermaßen unorthodoxes aufnahmebereites Hirn.

Darüber hinaus spielt der mehrfach ausgezeichnete Dichter die ganze Klaviatur der leisen Gefühle rauf und runter, um dann urplötzlich wieder mit Unsinn oder Scheinsinn zu verblüffen. Er experimentiert mit Ausdrucksformen, vermischt Gattungen und verletzt anscheinend permanent unumstößliche Regeln der Dichtkunst.

Die Poesie jenes Mannes, der sich bei einigen Versen auch an großen Geistern wie Franz Kafka, Herman Melville, Immanuel Kant und Karl Marx orientiert und diese Gedanken mit eigenen Zutaten würzt, erschließt sich folglich nur dem, der keinen starren Denkschemata folgt, aber Sinn für eine eigenwillige Sicht elementarer Dinge hat, die da wären: Pudding, Seife, Magnetberg, Libelle, Nerven, Baumhaus, Tropen, Semantik, Monster ...

Das ist auch der Grundgedanke des vorliegenden Bandes: 118 Elemente hat das Periodensystem. "Als Extremgeschöpfe der symbolischen Sphäre diesem System gleichsam gegenüber definieren die Gedichte dieses Buches ihre eigenen Elemente - eine Folge (...) elementarer Bezugsgrößen ihres Autors", schreibt der Verlag im Anhang. Und dass jeder Gegenstand auf andere verweise, die nicht aufgenommen worden, mitunter aber über einen Wegweiser auf den Seiten zu finden seien. Tatsächlich irritieren Begriffsnetze oder einzelne Wörter im Hintergrund der Verse nur anfangs.

Sie sind schon besonders, die 118 Gedichte Popps, und vermutlich nicht jedermanns Geschmack. Eines aber sind sie ganz sicher nicht: langweilig!

Steffen Popp: 118 Gedichte, Kookbooks Verlag Berlin, 144 S., 19,99 Euro, ISBN 978-3-9374-4584-7

Verlag über das Buch