1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Arabisches Theatertreffen in Hannover

Zuflucht Arabisches Theatertreffen in Hannover

Mit einer beeindruckenden Inszenierung aus Syrien beginnt in Hannover das Arabische Theatertreffen. Das einwöchige Festival soll das Theater als Zufluchtsort zeigen - und für die in ihrer Heimat bedrängten Künstler einen Ort des Austauschs schaffen.

Von Alexander Kohlmann, dpa 20.01.2017, 12:18

Hannover (dpa) - Menschen kriechen und rollen über die staubbedeckte Bühne. Von oben werden Schlingen herabgelassen - zwei Tänzer werden an ihnen aufgehängt. Sie zappeln, erst heftig, dann immer weniger.

Schließlich hängen sie still. Die Eröffnungsinszenierung des dritten Arabischen Theatertreffens in Hannover spart nicht mit drastischen Bildern. Die syrische Produktion "Über Null" kommt fast ohne Worte aus. Nur einmal sprechen die Darsteller zum Publikum. "Wir sind keine Flüchtlingskünstler", heißt es auf den dazugehörigen Übertiteln. "Wir sind syrische Künstler."

Als das Arabische Theatertreffen vor drei Jahren zum ersten Mal in Hannover organisiert wurde, lief es noch mit dem Untertitel Arabischer Frühling. Lange her scheint das. "Die Aufbruchstimmung ist verflogen, und wir mussten mittlerweile den Zusatz streichen", sagte Organisator Fettah Diouri am Donnerstagabend zur Eröffnung. Unter den derzeitigen politischen Bedingungen sei man schon froh, überhaupt diese Arbeiten in Hannover präsentieren zu können. "Bis zuletzt mussten wir um Visa für die Künstler kämpfen." Für zwei von ihnen gab es zur Auftaktveranstaltung keine Einreiseerlaubnis, und so muss Regisseur Oussama Halal selbst auf die Bühne.

Auch die anderen Produktionen der diesjährigen Ausgabe hatten es nicht leicht. Auf dem Spielplan des einwöchigen Theatertreffens stehen insgesamt sieben europäische Erstaufführungen unter anderem aus Marokko und Tunesien. Die meisten davon wurden bereits in den Herkunftsländern aufgeführt. Das diesjährige Motto "Zuflucht" steht dabei nicht nur für die Flucht-Bewegung nach Europa, erklärt Kuratorin Mariam Soufi-Siavash. "Zuflucht steht auch für die Möglichkeiten des Theaters, das gerade in Ländern des Umbruchs ein Raum für den gesellschaftlichen Diskurs sein kann."

Das Theatertreffen soll für die Künstler einen sicheren Ort des Austausches schaffen. "Das ist gerade für diejenigen Gruppen wichtig, die in ihrer Heimat unter schwierigsten gesellschaftlichen Bedingungen arbeiten", sagt Soufi-Siavash. Alle Produktionen behandeln brisante politische Themen, die man teilweise nicht in dieser Form auf den Bühnen ihrer Heimat erwartet hätte.

Für das diesjährige Programm seien bewusst besonders bildgewaltige Inszenierungen ausgewählt worden, erklärt Soufi-Siavash. "Sie lassen die Sprachhürden in den Hintergrund treten." So orientiert sich das syrische Eröffnungsstück nach Angaben der Künstler an Bertolt Brechts epischem Theater. Gezeigt werden soll, welche Strukturen hinter der realen Tragödie in der eigenen Heimat wirksam sind.

In einer Szene stehen zwei syrische Männer vor einem Wagen und werden vom Rest des Ensembles immer wieder neu angezogen. Zu rhythmischer Musik wechseln sie ihre Identität von einem mit Orden behangenen General zu einem Terroristen mit langem dunklen Bart, weißem Gewand und Sonnenbrille. Mit einer Pistole zielt eine der gespenstischen Gestalten auf das Publikum. Vom illegitimen Despoten zum religiösen Fanatiker, vom flüchtenden Künstler zum Bürgerkriegsopfer - alle diese Figuren sollen für den Zerfall Syriens stehen.

"Arabisches Theatertreffen" bei Facebook