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Bühnen-Berserker Theaterpreis Berlin für Herbert Fritsch

Herbert Fritsch erhält für seine "außerordentlichen Verdienste um das deutschsprachige Theater" den Theaterpreis Berlin 2017. Die Auszeichnung wird dem Schauspieler, Regisseur und Medienkünstler beim 54. Berliner Theatertreffen verliehen.

Von Peter Claus, dpa 06.05.2017, 05:00

Berlin (dpa) - Berühmt geworden ist Herbert Fritsch zwischen 1993 und 2007 als Schauspieler unter Intendant Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. Hits wie "Clockwork Orange" (1993), "Der Idiot" (2002) und "Im Dickicht der Städte" (2006 ) hat er wesentlich mitgeprägt.

Sein Markenzeichen: eine exzellente Wort- und Körpersprache-Artistik, die zum Kern des Gezeigten dringt. Jeder seiner Auftritte war ein Ereignis.

Fällt sein Name, folgen oft Stichworte wie Anarchie, Absurdität, Albernheit. Wer dem 1951 geborenen Augsburger mit dem ewigen Charme des großen Jungen persönlich begegnet, weiß, dass er mehr zu bieten hat. Der Schauspieler, Regisseur, Ausstatter und Medienkünstler Herbert Fritsch ist ein nachdenklicher Bühnen-Berserker.

Den Kern seiner Arbeit hat er im Gespräch mit der dpa so skizziert: "Ich suche nach dem Wesen des Schauspiels. Da setze ich nur fort, was große Künstler schon in den 1920er Jahren unternommen haben, ehe sie von den Nazis vertrieben oder ermordet wurden." Ähnlich diesen Vorbildern, Herbert Fritsch nennt zum Beispiel den Regisseur Fritz Kortner, offenbart er stets auch Persönliches, etwa Ängste und Träume.

Er selbst sagt zu seinen Ambitionen: "Den Begriff 'Wahrhaftigkeit' verwende ich nicht gern. Lustvolle, charmante Lüge ist mir lieber. Oder einfach Behauptung und Glaube an das, was man tut. Da kann man sich jeden Wahnwitz erlauben." Dabei ist es der Wahnwitz der Wirklichkeit, den er stets sehr originell spiegelt.

In den vergangenen zehn Jahren hat Herbert Fritsch im deutschsprachigen Raum immensen Erfolg als Regisseur und Bühnenbildner. Stücke wie "Murmel, Murmel" (2012) und "der die mann" (2015) an der Volksbühne Berlin und zuletzt "Grimmige Märchen" (2017) am Zürcher Schauspielhaus wurden von Publikum und Kritik gefeiert. Seit 2011 lädt das Berliner Theatertreffen jedes Jahr Arbeiten von ihm ein, jetzt den im November uraufgeführten Volksbühnen-Abend "Pfusch".

International geschätzt wird zudem sein intermediales Projekt "hamlet_X". Im Kern sind das bisher 55 seit 2000 gedrehte Kurzfilme um den Hamlet-Mythos. Zahllose Stars waren und sind dabei, wie die Schauspielerinnen Susanne Lothar und Corinna Harfouch oder der Regisseur Christoph Schlingensief. Performances mit den Filmen sind, wo immer sie stattfinden, stets enorm erfolgreich.

Als Künstler steht Herbert Fritsch für einen virtuosen Umgang mit der Sprache, verblüffenden Formenreichtum, geistige und emotionale Stärke. Das vielleicht Wichtigste: Er versucht stets, die Zuschauer zum Nachdenken über den Zustand der Welt anzuregen, arbeitet nie nur für sich, immer für das Publikum.

Dazu passt, dass er sein Privatleben nicht öffentlich ausbreitet. Auf Nachfrage verrät er nur, dass er und seine Frau seit 34 Jahren verheiratet sind. Und er gesteht, dass er stolz auf seinen jetzt 25-jährigen Sohn ist. Der studiert fern des Theaterbetriebs.

Zu seinen Volksbühnen-Jahren sagt Herbert Fritsch mit Blick auf das Ende der Ära Castorf: "Wer nicht so eine über viele Jahre unglaublich faszinierend-inspirierende, auch widersprüchliche, ekstatische, auch schmerzhafte Zeit auf dieser einzigartig-magischen Bühne erlebt hat, kann meine Traurigkeit nicht verstehen. Aber ich hatte als Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner nie Angst davor, peinlich zu sein."

Herbert Fritsch verdankt dem zum Ende der Spielzeit scheidenden Volksbühnen-Intendanten Frank Castorf viel: "Was ich dort machen konnte, etwa 'hamlet_X', wäre woanders nie möglich gewesen." Frank Castorf wird zur Verleihung des Theaterpreises Berlin die Laudatio halten. Das freut den Ausgezeichneten besonders: "Ich habe ihn darum gebeten", verrät er. "Und Frank hat sofort zugesagt. Das ehrt mich riesig."

Ausruhen auf dem Lorbeer gibt es für den Unermüdlichen nicht. Neues steht an. Auch in Berlin. Die Vorbereitungen für sein Regie-Debüt an der Schaubühne laufen. "Zeppelin" heißt das auf Texten aus dem Nachlass von Ödön von Horváth basierende Projekt. Die Uraufführung soll im Herbst sein.

Berliner Theatertreffen