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EU-Beitritt Serbiens Präsident wirft EU Betrug vor

Das Kosovo wird zum Streitfall in den serbischen Beitrittsverhandlungen. Staatspräsident Nikolić will die Anerkennung verweigern.

17.10.2015, 14:36

Belgrad l Serbien steht kurz davor, in die EU-Beitrittsverhandlungen einzusteigen. Doch seit dieser Woche kriselt es zwischen Belgrad und Brüssel. Die EU verlangt von den Serben, endlich ihre Beziehungen zum Kosovo zu normalisieren, damit die Verhandlungen um einen EU-Beitritt Serbiens beginnen können. Die serbische Regierung hatte dem zwar grundsätzlich schon zugestimmt, aber jetzt, wo es an die praktische Umsetzung geht, schlagen die Wellen hoch.

„Wir haben unterschiedliche Sichtweisen auf das Kosovo“, sagt Regierungschef Aleksandar Vučić noch diplomatisch. Serbiens Staatspräsident Tomislav Nikolić hingegen wirft Brüssel ganz offen Betrug vor. „Seit Jahren erfüllen wir alle möglichen Bedingungen der EU, es ist an der Zeit, dass wir dafür belohnt werden.“ Dass die EU stattdessen mit Blick auf das Kosovo Druck macht, sei ein Zeichen dafür, dass Brüssels Politik „brutal und ohne Seele“ sei.

Dabei hat die italienische EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kürzlich nur eine Liste vorgelegt, in der festgehalten ist, was Serbien in Bezug auf das Kosovo bereits erledigt hat und was nicht. Offen sind etwa Fragen der Telekommunikation und der Energieversorgung. Und natürlich: die Anerkennung des Kosovos als unabhängigen Staat. Obwohl die Beauftragte trotzdem die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen weiter empfiehlt, ist in Belgrad die Aufregung groß.

Serbien werde das Kosovo nie anerkennen, tönt Präsident Nikolić, die einst serbische Provinz aufzugeben, sei „wie ein Kind zu verkaufen“. Obwohl Serbien schon seit Jahren dort kaum noch was zu sagen hat, tun insbesondere Nationalisten wie Nikolić so, als sei die Zeit in den 90er Jahren stehen geblieben.

Dabei kam es 1999 in der Provinz zum Bürgerkrieg, weil sich die Kosovo-Albaner nicht länger unterdrücken lassen wollten. Die Nato zwang die serbische Armee mit Luftangriffen zum Rückzug. 2008 erklärte sich das Kosovo für unabhängig und wird seither von 110 Ländern, darunter auch Deutschland, anerkannt.

Neben dem Kosovo-Streit belastet auch die Ukraine-Krise die Beziehungen zwischen Belgrad und Brüssel. Die EU ist verärgert, dass Serbien die Wirtschafts-Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt. Präsident Nikolić hat dafür kein Verständnis: „Wir geben nicht einfach die jahrhundertealte Freundschaft zu Russland auf“, betont er. Zudem könne sich Serbien wirtschaftliche Einbußen durch Sanktionen nicht leisten. „Wir erhalten im Gegensatz zu Mitgliedsländern keine Ausgleichszahlungen von der EU.“

Gleichwohl verurteilt Nikolić die Annexion der Krim vonseiten Russlands. „Jedes Land sollte die Souveränität seiner Nachbarländer achten“, betont er - wenn auch aus Eigennutz: „Der EU sollte es nicht nur um die Souveränität der Ukraine, sondern auch um die der Serben gehen.“

Seit 2011 ist Serbien offizieller EU-Beitrittskandidat. Das Balkanland arbeitet daran, sich nach europäischen Standards in der Justiz und Verwaltung zu modernisieren, die Finanzen zu ordnen und die Wirtschaft auf Zack zu bringen. Ursprünglich wollte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn in dieser Woche einen Bericht zu den Fortschritten Serbiens vorlegen, doch dieser wurde auf die kommende Woche verschoben.

Absehbar ist, dass der Bericht durchwachsen ausfallen dürfte. Zwar konnte die Regierung die Neuverschuldung von sechs auf zwei Prozent drücken, doch noch immer leidet das Land unter Korruption und einem schwachen Wirtschaftswachstum. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass die serbische Regierung scharfe Töne anschlägt, um sich einerseits in eine bessere Verhandlungsposition mit der EU zu bringen und um sich andererseits vor der serbischen Wählerschaft zu profilieren.