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Anschläge Fakten zum Terror in Brüssel

Bei mehreren Explosionen sind in Brüssel mindestens 34 Menschen ums Leben gekommen. Informationen, was zu den Anschlägen bekannt ist.

22.03.2016, 12:16

Brüssel/Berlin (dpa/se) l  Bei einer neuen Terrorserie sind am Dienstag in Brüssel mindestens 26 Menschen getötet worden. Die Zahl der Verletzten liegt bei etwa 230. Der IS hat sich zu den Anschlägen bekannt. Die belgische Polizei hat auf Twitter ein Fahndungsfoto eines Terrorverdächtigen veröffentlicht. Das Bild zeigt einen Mann in weißer Jacke mit einem Flughafengepäckwagen und einer schwarzen Tasche.

Was genau ist passiert?

Kurz nach 8.00 Uhr ereignen sich in der Abflughalle des  Flughafens Brüssel-Zaventem zwei Explosionen. Vermutet wird, dass sich mindestens ein Selbstmord-Attentäter in die Luft sprengte. Vorläufige Bilanz: mindestens 14 Tote, mindestens 81 Verletzte. Um 9.11 Uhr gibt es in der Metro-Station Maelbeek im EU-Viertel einen weiteren Anschlag. Vorläufige Bilanz: mindestens 20 Tote, mindestens 106 Verletzte.  Nach offiziellen Schätzungen seien etwa 230 Menschen verletzt worden – mehr als bisher bekannt. Das nationale Krisenzentrum meldete, dass etwa 100 Menschen am Flughafen Zaventem verletzt worden seien, weitere 130 bei der Explosion in der Metrostation Maelbeek. Ein Verantwortlicher eines Krankenhauses in Löwen hatte dem Sender VTM berichtet, dass bei den Explosionen auf dem Flughafen von Brüssel Nagelbomben verwendet worden seien.

Stundenlang gibt es immer wieder Gerüchte über weitere Anschläge an anderen Orten  – alles Fehlanzeige, zum Glück. Der öffentliche Nahverkehr kommt in Brüssel komplett zum Erliegen. Alle U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse stehen still. Die Zentrale von EU und Nato werden noch mehr gesichert als ohnehin schon. Das belgische Krisenzentrum appelliert an alle: "Bleiben Sie, wo Sie sind." Das Rote Kreuz ruft zu Blutspenden auf – gebraucht werden die Blutgruppen A und 0 mit Rhesusfaktor negativ.

Bei Hausdurchsuchungen in Brüssel haben Fahnder eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), einen Sprengsatz mit Nägeln und chemische Substanzen gefunden. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstagabend mit. Die Durchsuchungen hätten in der nordöstlichen Stadtgemeinde Schaerbeek stattgefunden.

Wie reagieren die belgischen Behörden?

Für das ganze Land gilt die höchste Terrorwarnstufe – zum ersten Mal seit November 2015. Der Flughafen Brüssel wurde von Polizisten und Soldaten sofort geräumt und dann geschlossen. In der Hauptstadt standen nach dem Anschlag alle U-Bahnen, alle Straßenbahnen, alle Busse still. Die Hochgeschwindigkeitszüge in Richtung Köln, Paris und London fuhren ebenfalls nicht mehr. Ab 16 Uhr soll der Zugverkehr in Brüssel wieder weitgehend normal funktionieren. Ausgenommen seien die Bahnhöfe Schuman und Luxemburg im EU-Viertel. Das belgische Atomkraftwerk Tihange 70 Kilometer von Aachen entfernt sei evakuiert worden, berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf den lokalen Polizeichef. Der Betreiber dementierte, das verzichtbare Personal sei aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt worden. Das belgische Krisenzentrum empfahl allen: "Bleiben Sie, wo sie gerade sind!" Das Rote Kreuz rief zu Blutspenden auf. Zugleich war man bemüht, eine Massenpanik zu verhindern. Die belgische Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus.

Wer steckt hinter den Anschlägen?

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich zu den Terroranschlägen von Brüssel mit mindestens 34 Toten bekannt. Das berichtet die dem IS nahestehende Nachrichtenagentur Amaq im Internet. Die belgische Polizei hat auf Twitter ein Fahndungsfoto eines Terrorverdächtigen veröffentlicht. Das Bild zeigt einen Mann in weißer Jacke mit einem Flughafengepäckwagen und einer schwarzen Tasche. Erst am Freitag war in Brüssel einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom November in Paris festgenommen worden, der 26 Jahre alte Salah Abdeslam. Experten rechneten seither mit Vergeltungsaktionen.

Wie groß ist die Gefahr für Deutschland?

Nach den Terroranschlägen wurden die Kontrollen an Deutschlands Grenzen zu Belgien und Frankreich gleich wieder verschärft. Auch an den großen Flughäfen und Bahnhöfen wurden die Sicherheitsmaßnahmen wieder in die Höhe gefahren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in Berlin, es gebe bislang keine Hinweise auf einen "Deutschland-Bezug" der Täter. Und fügte hinzu: "Klar ist, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus lange dauert."

Sind Deutsche unter den Opfern?

In den ersten Stunden nach dem Anschlag gab es keine Hinweise darauf. "Wir haben keinerlei Informationen über deutsche Opfer", sagte de Maizière mittags in Berlin. Am Nachmittag hieß es dann, eine deutsche Staatsangehörige habe eine leichte Rauchvergiftung erlitten.

Warum immer wieder Brüssel?

Die belgische Hauptstadt gilt als Zentrum des islamistischen Terrorismus in Europa. Vor allem der Stadtteil Molenbeek mit seinen vielen Einwanderern aus der arabischen Welt hat einen schlechten Ruf. Von dort kamen außer Abdelslam auch andere Islamisten, die an Terrorabschlägen beteiligt waren. Bereits eine Woche nach den Anschlägen in Paris hatte es konkrete Gefahrenhinweise für die Region Brüssel gegeben. Das öffentliche Leben kam damals für fünf Tage zum Erliegen, ohne dass etwas geschah.

Welche direkten Auswirkungen haben die Anschläge auf Deutschland?

Wie andere EU-Staaten hat Deutschland seine Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren. Das heißt, im Grenzraum zu Belgien, und auch zu den Niederlanden und Luxemburg wurden die Kontrollen intensiviert – nicht zuletzt um zu verhindern, dass mögliche Täter oder Komplizen der Anschläge aus Belgien flüchten. Bundespolizisten kontrollieren verstärkt an Flughäfen und Bahnhöfen. Außerdem sind die Beamten zum Teil robuster als üblich ausgestattet. Die Sicherheitsvorkehrungen an Airports wurden generell verstärkt, Flüge nach Brüssel gestrichen. Der Hochgeschwindigkeitszug Thalys stellte seine Fahrten über Belgien zunächst ein und die Deutsche Bahn ihren Zugverkehr zwischen Aachen und Brüssel.

Was passiert hinter den Kulissen?

Polizei und Geheimdienste schauen sich nochmals genauer die deutsche Islamisten-Szene an und suchen nach möglichen Querverbindungen zu den Tätern. Sie durchforsten das Internet nach Hinweisen und Reaktionen der Szene und tauschen sich öfter als üblich im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum aus, wo 40 Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern vertreten sind. Dort gibt es schon zu normalen Zeiten tägliche Lagebesprechungen, in besonderen Situationen tagen die Experten in engerer Taktung. Nach den jüngsten Anschlägen in Europa war es auch verstärkt zu Durchsuchungen und Festnahmen gekommen, um Druck auf die Szene auszuüben. Das könnte nun wieder passieren.

Macht das die Islamisten nicht erst recht nervös und gefährlich?

Der Terrorexperte Rolf Tophoven hält das für möglich: Wenn der Fahndungsdruck zunehme, könnten sich Einzelne in die Enge getrieben fühlen, ihrem Auffliegen zuvorkommen und Anschlagspläne vorziehen. Er sieht die Attacken in Brüssel als direkte Reaktion auf die Festnahme des mutmaßlichen Top-Terroristen Salah Abdeslam – einen der Hauptverdächtigen für die Anschläge in Paris. Die belgische Polizei hatte den Mann am Freitag in der als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Gemeinde Molenbeek festgenommen. Tophoven meint, Abdeslams Umfeld habe nun wohl zeigen wollen, dass es auch nach dem Zugriff weiter handlungsfähig sei. Innenminister Thomas de Maizière räumt ein, erfolgreiche Maßnahmen wie Festnahmen könnten dazu führen, dass Terroristen als Reaktion extra Anschläge begehen. Das dürfe aber niemanden vom Kampf gegen den Terror abhalten.

Was bedeuten die Anschläge für die Sicherheitslage in Deutschland?

Die Lage ist seit Monaten enorm angespannt. Schließlich wurden mehrere direkte Nachbarn Deutschlands in jüngster Zeit vom Terror heimgesucht. Die erneuten Attacken ändern an der Terrorgefahr für Deutschland im Grunde nichts. Die Bundesrepublik ist seit langem im Fokus islamistischer Terroristen. Die Sicherheitsbehörden betonen regelmäßig, dass auch hier ein Anschlag nicht auszuschließen sei.

Gibt es Bezüge der Täter zur deutschen Islamisten-Szene?

Auch das verneinte der Minister in einer ersten Stellungnahme. Allerdings laufen die Ermittlungen noch. Großes Gefahrenpotenzial hat die deutsche Islamistenszene allemal. Mehr als 43 000 Menschen werden ihr zugerechnet. Mehr als 8600 davon sind Salafisten, die einen besonders konservativen Islam leben. Polizei und Geheimdienste stufen viele Islamisten als gefährlich ein: Gut 470 solchen "Gefährdern" trauen sie potenziell zu, dass sie einen Anschlag begehen könnten. Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Von den mehr als 800 Islamisten aus Deutschland, die bislang Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, ist ein Drittel wieder in Deutschland – etwa 70 mit Kampferfahrung.