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Nach Protesten Trump verteidigt Einreisestopp für Muslime

Einen gerichtlichen Beschluss gegen sein Dekret versucht der US-Präsident zu ignorieren. Kritik an Trumps Vorgehen kommt aus Deutschland.

Von Vom Martin Bialecki und Maren Hennemuth 29.01.2017, 08:01

New York (dpa) l US-Präsident Donald Trump hat seine erste Schlappe erlitten. Ein Gericht in New York fror in der Nacht zum Sonntag einen Teil seines Einreisestopps für viele Muslime ein. Mit dem Urteil errangen Bürgerrechtsorganisationen im Kampf gegen Trumps Dekret vom Freitag einen wichtigen Teilsieg. Der Gerichtsentscheid legt nahe, dass der Erlass gegen die US-Verfassung verstößt. Die Klärung soll vermutlich in einigen Wochen erfolgen.

Das Gericht verfügte, dass seit Freitag in den USA eingetroffene Flüchtlinge oder Besucher aus den vom Bann betroffenen Ländern zunächst nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden dürfen. Voraussetzung ist der Besitz eines gültigen Visums oder einer Greencard, der Schutzstatus des Flüchtlingsprogramms der USA oder eine andere offizielle Berechtigung, in die USA einzureisen.

Der Spruch gilt landesweit. Es war nicht klar, ob alle Festgehaltenen auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Die Regierung ist angehalten, eine Liste aller Festgehaltenen zu veröffentlichen. Vermutlich sind es etwa 200 Menschen. Richterin Ann M. Donnelly begründete ihre Entscheidung unter anderem so: "Es besteht bei fehlender Begründung der Abschiebung die unmittelbare Gefahr substanzieller und irreparabler Schäden für Flüchtlinge, Visa-Inhaber und Individuen derjenigen Nationen, die vom präsidialen Erlass des 27. Januar betroffen sind."

US-Präsident Donald Trump hat sein Einreiseverbot verteidigt – trotz internationaler Besorgnis und einer bremsenden Gerichtsentscheidung. Es gehe um die Sicherheit des Landes, schrieb er am Sonntag auf Twitter. Dagegen hält auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Bann, der massiv vor allem Flüchtlinge trifft, für falsch.

Trump twitterte am Sonntag: "Unser Land braucht starke Grenzen und extreme Kontrollen, JETZT. Schaut euch an, was in Europa und der Welt passiert – ein entsetzliches Chaos!". Sein Sprecher Sean Spicer sagte dem Sender ABC, mit dem Trump-Erlass solle sichergestellt werden, dass einreisende Menschen den USA keinen Schaden zufügten. Das Dekret sei der erste Schritt auf dem Weg zu schärferen Kontrollen, die der Präsident im Wahlkampf versprochen habe.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Sonntag in Berlin, die Kanzlerin habe ihr Bedauern über Trumps Entscheidung am Samstag in einem 45-minütigen Telefonat mit dem neuen Amtsinhaber im Weißen Haus ausgedrückt. "Sie ist überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen."

Kritik kam auch vom neuen Außenminister Sigmar Gabriel. "Es ist nicht unsere Politik in Europa, Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit zu stigmatisieren. Darüber hinaus ist der Schutz von Flüchtlingen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegt, ein völkerrechtlich bindendes Gebot, das nicht zur Disposition gestellt werden darf", heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung Gabriels und seines niederländischen Kollegen Bert Koenders.

Trumps Anordnung hatte zur Folge, dass Einreisende nach ihrer Ankunft auf US-Flughäfen in Gewahrsam genommen und am Verlassen des Transitbereichs gehindert worden waren. Allein auf dem Kennedy-Airport in New York und auf den internationalen Flughäfen von Chicago, Houston und Washington DC wurden Dutzende Ausländer bei der Einreise abgefangen.

Trump spielt die gerichtliche Bremse – wie jede Opposition  – herunter, indem er sie schlicht zu ignorieren versucht. Trumps Beraterin Kellyanne Conway wies in einem Fox-News-Interview darauf hin, dass die New Yorker Richterin von Trumps demokratischem Vorgänger Barack Obama auf ihren Posten berufen worden sei. Ihre Entscheidung habe keine Auswirkung auf die Stoßrichtung des Trump-Dekrets – gefährliche Menschen daran zu hindern, ins Land zu gelangen.

Das von Trump verfügte vorläufige Einreiseverbot für viele Muslime hatte zahlreiche Menschen in Verzweiflung gestürzt und Chaos auf Flughäfen in etlichen Teilen der Welt ausgelöst. Von Irakern über Jemeniten bis hin zu Sudanesen wurden Menschen mit gültigen Visa kurz vor ihrer Abreise auf heimischen Flughäfen oder bei Zwischenaufenthalten auf dem Weg in die USA gestoppt.

Mehrere strandeten nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten: Sie waren zum Zeitpunkt von Trumps Dekret am Freitagnachmittag (Ortszeit) schon auf dem Weg in die USA und wurden bei ihrer Ankunft in Gewahrsam genommen. An Flughäfen in mehreren US-Städten protestierten tausende Menschen dagegen. Allein am New Yorker Flughafen JFK waren es mehr als 1000, die friedlich demonstrierten. Sie skandierten "So sieht Demokratie aus" oder "Lasst sie rein". Auch in Metropolen wie Washington, Los Angeles, San Francisco, Chicago und Dallas gab es Demonstrationen.

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU hatte zusammen mit zwei anderen Gruppen im Namen mehrerer Festgehaltener Beschwerde vor Gericht eingereicht. Die ACLU will auch die anderen Teile von Trumps Dekret angreifen. Weltweit hatten Menschenrechtler Empörung geäußert über Trumps Verfügung. Es gab auch erste politische Konsequenzen: Der Iran lässt nach eigenen Angaben nun selbst keine US-Bürger mehr einreisen.

Trump hatte als ein Kernstück seines Anti-Terror-Kampfes einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verfügt, die "bestimmten Anlass zur Sorge" hinsichtlich Terrorismus gäben: Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen. Flüchtlinge aus aller Welt sind zumindest für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Dauer. Trump will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn "angemessene" Überprüfungsmechanismen aus seiner Sicht sicherstellen, dass keine "radikalen islamischen Terroristen" in die USA gelangen.

Am Samstag betonte er, die Maßnahmen seien nicht gleichbedeutend mit einem Muslim-Bann. Und sie funktionierten "sehr schön" – das könne man auf den Flughäfen sehen. Eine Reaktion des Weißen Hauses auf den Gerichtsentscheid gab es zunächst nicht. Die Proteste sollen am Sonntag an mehreren Dutzend Flughäfen fortgesetzt werden. Die Nachrichtenseite thinkprogress.org führt mehr als zwanzig Orte auf.