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Syrien Botschafter: "Lösung nur durch Verhandlungen"

Im Kampf um Syrien könnte ein Machtvakuum entstehen, warnt Badr Abdelatty. Der ägyptische Botschafter im Volksstimme-Interview.

20.11.2016, 23:01

Herr Botschafter, der ägyptische Präsident Abdelfattah al Sisi wurde von „Reporter ohne Grenzen“ zum Feind der Pressefreiheit erklärt. Können Journalisten in Ägypten ihre Arbeit ausführen?

Badr Abdelatty: Ehrlich gesagt, das Regime in Ägypten hat einen unbegründet schlechten Ruf in den westlichen Medien. Freilich, wir sind nicht die Wiege der Pressefreiheit. Aber niemand ist in Ägypten im Gefängnis, weil er seine Meinung gesagt hat. Journalisten wurden aufgegriffen, weil sie auf gewaltsamen Protesten der Muslimbrüder das Gesetz gebrochen hatten. Al-Jazeera-Journalisten wurden verhaftet, weil ihr Arbeitgeber mit der Absicht, Ägypten zu schaden, ohne Genehmigung gesendet hatte. Trotzdem habe ich damals gesagt: Bitte lasst sie einfach ausreisen! Niemand wird sich an die Genehmigung erinnern, nur daran, dass Journalisten verhaftet wurden. Das hat unserem Image geschadet. Der Präsident hat sich dafür inzwischen entschuldigt.

Trotzdem trafen die Verhaftungen immer wieder die Gegner des Regimes.

Unser System hat viele Mängel. Wir versuchen aber, die Balance herzustellen zwischen den demokratischen Regeln und der Sicherheit der Bevölkerung. Immerhin bekämpfen wir Terroristen. Es gibt in Ägypten so viele Leute, die den Präsidenten frei kritisieren, mindestens 20 verschiedene Tageszeitungen. Nach zwei Revolutionen im Land sind die kritischen Stimmen nicht mehr zu unterdrücken. Wir versuchen, zuzuhören und unsere Gesetze anzupassen.

Sicherheitsbedenken sind auch der Grund, warum viele Touristen fernbleiben.

Sicherheitsbedenken gibt es nur auf der Halbinsel Sinai. Das Touristengeschäft ist dieses Jahr gut angelaufen, und wir rechnen mit einer starken Wintersaison. Obwohl wir 30 Prozent der deutschen Urlauber eingebüßt haben, sind wir zuversichtlich, dass sich das Geschäft erholen wird. Nach dem Unglück mit dem russischen Touristenflugzeug haben wir zum ersten Mal in der Geschichte des Landes private Ordnungshüter am Flughafen in Sharm El-Sheikh eingesetzt. Andere Flughäfen werden folgen. Auf eine weitere Neuerung warten wir noch: Ein Iris-Scan für Flughafenmitarbeiter soll im November installiert werden. Dann kommen auch die Russen zurück.

Im Namen der Sicherheit wurde in der Vergangenheit auch zu hart durchgegriffen.

Auch daran arbeiten wir. Damit nicht gewalttätige Demonstranten nicht im Gefängnis bleiben, wollen wir ein Gesetz ändern. Wird ohne Anmeldung demonstriert, soll in Zukunft eine Geldstrafe und keine Gefängnisstrafe verhängt werden.

Im Kampf gegen den IS hat sich Ihr Land der russischen Position angeschlossen und damit Saudi-Arabien verärgert. Warum favorisiert Ägypten die Machterhaltung des syrischen Präsidenten Assad?

Mit unseren Verbündeten müssen wir nicht immer einer Meinung sein. Wir finden, dass Baschar al-Assad lieber gestern als heute verschwinden sollte, aber das wird nicht passieren. Terroristen müssen bekämpft werden. Trotzdem gibt es in Syrien nur eine Lösung, wenn sich Regierung und Opposition am Verhandlungstisch einigen. Mit Libyen haben wir ein Beispiel für die Gefahr eines Machtvakuums direkt vor der Tür. Die Nato kam, aber es wurde nicht an morgen gedacht. Jetzt ist das Land der Hauptanlaufpunkt für illegale Migranten auf dem Weg nach Europa. Der Süden ist gesetzeslos. Terroristen können sich frei nach Mali oder Niger bewegen. Deutschland hat da gut reagiert und nicht an der Invasion Libyens teilgenommen. Wenn das Land zerfiele, wäre das eine Katastrophe.

Ist Assad denn in der Lage, seine Macht wiederherzustellen?

Nein, er ist nicht in der Lage, den alten syrischen Staat wiederherzustellen. Aber er ist stark genug, um an der Macht zu bleiben. Ihn zu stürzen, ist unmöglich.

Was macht Sachsen-Anhalt für Ägypten interessant?

Wir versuchen, Firmen hier für Investitionen in Ägypten zu gewinnen. Besonders in der Landwirtschaft, Tierhaltung und der chemischen Industrie sind Kooperationen für uns interessant. Auch in der dualen Berufsbildung können wir viel von Deutschland lernen.