Unfallflucht Ich bin dann mal weg

Ein Unfall geschieht - und der Schuldige haut einfach ab. Nimmt das Phänomen Fahrerflucht zu? Die Datenlage ist kompliziert.

08.08.2017, 23:01

Karlsruhe (dpa) l Außenspiegel ab, Kratzer in der Tür, Rücklicht kaputt. Der Schaden am Auto ist meist eher klein, der Ärger aber groß, wenn sich der Schuldige aus dem Staub macht. Unfälle mit Fahrerflucht sind längst ein Massendelikt, ein Dauerproblem und nehmen aus Sicht mancher Polizeipräsidien in Großstädten sogar zu. Die Bandbreite dabei ist riesig: Kleinere Blechschäden machen den Löwenanteil der Fahrerflucht-Unfälle aus, mit denen es die Polizei zu tun hat. Viel seltener sind Unfälle, bei denen der Verursacher Verletzte oder gar Tote zurücklässt.

Während nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl von schweren Unfällen mit Sachschaden in den letzten mehr als 25 Jahren deutschlandweit drastisch gesunken ist, steigt der Anteil von Unfallflüchtigen daran leicht. So zählten die Statistiker 1991 rund 440.000 dieser schwerwiegenden Unfälle mit Sachschaden. Unfallflucht spielte in 8,3 Prozent dieser Fälle eine Rolle. Im vergangenen Jahr waren es nur noch gut 130.000 Unfälle dieser Art, in 10,6 Prozent der Fälle aber floh einer der Beteiligten. Bei Unfällen mit Fahrerflucht, bei denen jemand verletzt oder gar getötet wurde, blieb die Quote der Flüchtigen konstant bei 4,5 Prozent.

Zahlen für alle Unfälle mit Fahrerflucht deutschlandweit gibt es schlichtweg nicht, das sagen auch das Bundesverkehrsministerium oder das Bundesjustizministerium. Allerdings führen viele Polizeipräsidien eigene Statistiken. Die Frankfurter Polizei zählte zwischen 2013 und 2016 konstant zwischen knapp 21.000 und 22.500 Unfällen – ein Drittel davon solche mit Fahrerflucht. Rund 120.000 Verkehrsunfälle verzeichnete die Behörde in Berlin im Jahr 2005, davon rund 25.000 mit Fahrerflucht. Im vergangenen Jahr krachte es 140.000 mal - rund 32.000 mal machte sich der Verursacher aus dem Staub. Die Aufklärungsquote in der Hauptstadt sank in diesem Zeitraum von knapp 50 auf 40 Prozent. In Stadt und Landkreis München flüchteten die Fahrer bei einem Viertel der Unfälle.

Ähnliche Zahlen berichtet aus Stadt und Landkreis Karlsruhe Peter Rieger, Polizeihauptkommissar und seit 1991 in diesem Beritt für Unfallermittlungen zuständig. Davon geschehen 80 Prozent etwa beim Ein- oder Ausparken, im ruhenden Verkehr, erzählt er und fügt hinzu: „Die Verkehrsmoral war schon immer schlecht.“

Vor drei Jahren hatte der Automobilclub Europa (ACE) die Angaben von Polizeibehörden verschiedener Bundesländer ausgewertet und schätzte die Zahl angezeigter Fluchtdelikte auf jährlich rund 500.000 - ohne Dunkelziffer, denn längst nicht jeder Kratzer wird angezeigt. „Hat ja keinen Sinn, die Polizei findet die Leute ja doch nicht“, sagt etwa ein 53-Jähriger, der seit 35 Jahren Auto fährt und mindestens sieben Mal Opfer von Unfallflucht war. Er fährt dann den Wagen in die Werkstatt, lässt den Spiegel ersetzen, den Kratzer polieren. „So ist der Aufwand am geringsten“, sagt er. Die Aufklärungsquote schwankt je nach Region oder Bundesland zwischen 20 und knapp unter 50 Prozent.

Anders ist es, wenn Menschen schwer zu Schaden kommen oder gar sterben. Etwa 200 Mal im Jahr passiert das. „Ich kann mich an keinen Fall der letzten 20 Jahre erinnern, der da nicht aufgeklärt worden wäre“, sagt Rieger.