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Urteil Polizei darf bei Kontrollen tricksen

BGH-Urteil: Zufallskontrollen dürfen bei der Verbrecherjagd vorgetäuscht werden, allerdings mit Einschränkungen.

26.04.2017, 23:01

Karlsruhe (dpa) l Nur der Drogenhund will nicht so recht ins Bild passen. Er ist schon zur Stelle, als die Polizisten in den frühen Morgenstunden des 17. August 2015 bei Limburg einen VW Touran auf der A3 rauswinken. Verkehrskontrolle, in der Baustelle zu schnell unterwegs, sagen sie dem Fahrer. Dann schlägt der Hund plötzlich an. Hinter dem Armaturenbrett werden die Polizisten fündig – knapp acht Kilo Kokain. Im März 2016 das Urteil: sechseinhalb Jahre Haft. Aber damit ist die Sache nicht erledigt.

Gut ein Jahr später gibt der Fall Deutschlands obersten Strafrichtern am Bundesgerichtshof (BGH) die Gelegenheit, eine so grundsätzliche wie umstrittene Frage zu klären: Was darf die Polizei? Um das Urteil vom Mittwoch zu verstehen, ist der Hund der Schlüssel. Seine Anwesenheit verrät, dass hier etwas nicht stimmt: Die Geschichte ist eigentlich eine ganz andere, und sie beginnt schon Monate früher.

Im April 2015 bringt der Tipp eines V-Manns die Fahnder auf die Spur einer Drogenbande. Verdeckte Ermittlungen laufen an, Verdächtige werden observiert. Als einer der Dealer in den Niederlanden neue Ware übernimmt, tut er das nicht unbeobachtet. Ein Peilsender am Auto verrät den Ermittlern am 17. August, dass sich der Mann auf den Rückweg nach Deutschland macht. Sie müssen nur noch zuschlagen.

Normalerweise wäre das der Zeitpunkt, um einen Richter einzuschalten. Denn ob Wohnung oder Auto – keine Durchsuchung ohne Genehmigung. Aber der Kopf des Drogenrings ist gerade im Ausland und die Ermittler wollen ihn in Sicherheit wiegen. Also bitten sie die Kollegen von der Autobahnpolizei um Mithilfe: eine „zufällige“ Verkehrskontrolle unter einem Vorwand.

So eine arrangierte Kontrolle – Fachleute sagen: „legendierte“ Kontrolle – ist kein Einzelfall. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat keine Zahlen, spricht aber von einer „häufig vorkommenden Verfahrensweise“. „Wenn man gegen organisierte Kriminalität ermittelt, kommt es entscheidend darauf an, dass die polizeiliche Maßnahme so lange wie möglich unentdeckt bleibt“, sagt Sascha Braun, Leiter der GdP-Rechtsabteilung.

Rechtlich stützen sich die Ermittler bei solchen Aktionen auf die Landespolizeigesetze, die Durchsuchungen und das Sicherstellen von Dingen zur Gefahrenabwehr erlauben. So heißt es auch hier: Ohne das Eingreifen der Polizei hätte der Mann die Drogen in Umlauf gebracht.

Was Kritiker problematisch finden: Für Ermittlungsverfahren gibt es in der Strafprozessordnung klare Vorschriften – wie eben den Richtervorbehalt. Der aufgeflogene Drogenkurier wurde zwar auf seine Rechte hingewiesen. Dass seit Monaten Ermittlungen gegen ihn liefen, bekam er aber erst mit, als er schon gestanden hatte. Darf so ein Geständnis vor Gericht gegen den Mann verwendet werden? Und können die sichergestellten Drogen im Prozess als Beweis gelten? Mit dem Karlsruher Urteil sind diese Fragen nun erstmals höchstrichterlich geklärt – zugunsten der Polizei. Der Senat hat nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die Polizei in gewissen Gemengelagen aus ihren Befugnissen diejenigen heraussucht, die eben gerade vorteilhaft sind. Zumal für den Drogenkurier ein Durchsuchungsbeschluss nach Ansicht der Richter ohne jede Probleme zu bekommen gewesen wäre.

Eine „in Stein gemeißelte Unbedenklichkeitsbescheinigung für alle Zukunft“ ist das aber nicht, wie der Vorsitzende Richter Ekkehard Appl betont. Sollte das Täuschen und Tricksen zum System werden, könnte schon das nächste Urteil anders ausfallen.