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NSU-Prozess Offener Streit der Zschäpe-Anwälte

Der NSU-Prozess verläuft weiter schleppend. Der Grund: Viel Streit und eine Angeklagte, die nur langsam antwortet.

Von Christoph Lemmer 01.08.2016, 23:01

München (dpa) l Zwischen den Verteidigern der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe ist es am Montag zu einer offenen Auseinandersetzung im NSU-Prozess gekommen. Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert unterbrach einen Vortrag von Pflichtverteidiger Wolfgang Heer. Heer beanstandete darin mehrere Fragen als „ungeeignet oder nicht zur Sache gehörig“, die Nebenkläger an Zschäpe gerichtet hatten. Borchert stoppte Heer und verlangte eine Pause zur Besprechung. Er wolle zunächst mit Zschäpe klären, ob Heers Vortrag in ihrem Sinne sei. Daraufhin unterbrach das Gericht die Sitzung. Das Verhältnis zwischen Zschäpe und ihren drei Pflichtverteidigern Heer, Stahl und Sturm gilt seit langem als zerrüttet.

Die Vernehmung eines Zeugen, der im Jahr 1999 an einer Schlägerei von Jenaer Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein soll, fiel am Montag aus, weil der Zeuge nicht erschien. Rechtsanwalt Olaf Klemke, der den Mitangeklagten Ralf Wohlleben verteidigt, beantragte, den Mann zwangsweise vorzuführen, ihm die entstandenen Kosten aufzuerlegen und ein Ordnungsgeld gegen ihn zu verhängen. Darüber entschied das Gericht zunächst nicht.

Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist Beate Zschäpe. Sie ist die einzige Überlebende des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Die Bundesanwaltschaft hat sie als Mittäterin an den zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen angeklagt. Am Montag ein letztes Mal vor der Sommerpause verhandelt. Ein Rückblick:

● Viele Prozessbeteiligte hatten erwartet, dass die Beweisaufnahme jetzt, vor der Sommerpause, abgeschlossen werden könnte. So ist es nicht gekommen. Wenn das Münchner Oberlandesgericht (OLG) an diesem Dienstag in die Ferien geht, stehen immer noch Zeugenvernehmungen aus - aber wohl nicht mehr viele.

● Dass das Gericht nicht so schnell vorankam wie erwartet, liegt nach Einschätzung aus Prozesskreisen auch daran, dass vor allem einer der Angeklagten immer verzweifelter versucht, gegen eine langjährige Haftstrafe anzukämpfen: Ralf Wohlleben. Viele der Zeugen, die das Gericht in den vergangenen Monaten befragte, waren auf Initiative von Wohllebens Verteidiger geladen worden. Es ging dabei um den Vorwurf, Wohlleben habe die Mordwaffe vom Typ „Ceska“ organisiert. Wohlleben bestreitet das. Die Zeugen, die seine Verteidiger aufzubieten versuchten, sollten andere als die bis dato bekannten Schmuggelwege der Waffe nahelegen. Die Verteidiger Wohllebens streiten mit der Bundesanwaltschaft um die Zulassung von Vernehmungsakten ins Verfahren.

● Bei den anderen Angeklagten, auch bei Beate Zschäpe, sind die Fronten weniger verhärtet. Dabei hat der OLG-Senat in jüngster Zeit immer wieder von sich aus Beweismittel eingeführt, die ihre Glaubwürdigkeit mindern könnten. Zuletzt war das ein Urlaubsfoto des NSU-Trios aus dem Jahr 2006. Dazu lud das Gericht eine Expertin für Bildanalysen, die akribisch nachwies, dass auf diesem Bild neben Zschäpe auch der Mitangeklagte Holger G. zu sehen sei. Damit dürften sich sowohl Zschäpe als auch G. ertappt gefühlt haben. Beide hatten ausgesagt, sie hätten zu dieser Zeit kaum noch Kontakt miteinander gepflegt. Zschäpes Anwalt Mathias Grasel erklärte namens seiner Mandantin: „Es kann sich nur um einen Tagesbesuch gehandelt haben, an den sich Frau Zschäpe nicht erinnert.“