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Flüchtings-Krise Marsch der Verzweifelten

Die Flüchtlingskrise spitzt sich in Ungarn zu. Hunderte fliehen aus einem Lager. Andere machen sich zu Fuß auf den Weg.

04.09.2015, 23:01

Budapest/Luxemburg/Berlin (dpa) l Die Flüchtlingskrise wird für Europa zu einer immer größeren Belastungsprobe. In Ungarn, wo viele tausend Menschen aus Syrien und anderen Ländern auf die Weiterreise in den Westen hoffen, spitzte sich die Lage am Freitag weiter zu. Von den 3000 Menschen, die vor dem Ostbahnhof in Budapest lagerten, machten sich die ersten zu Fuß auf den Weg zur rund 170 Kilometer entfernten österreichischen Grenze.

In Luxemburg kamen die EU-Außenminister zusammen, ein Thema war die Flüchtlingskrise. Der deutsch-französische Vorschlag für feste Verteilungsquoten wird von anderen Mitgliedsländern bislang abgelehnt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kündigte an, nächste Woche die Aufteilung von 120 000 weiteren Flüchtlingen auf andere EU-Staaten vorzuschlagen. Damit sollen Griechenland, Italien und Ungarn entlastet werden.

Großbritanniens Premierminister David Cameron, der wegen einer harten Haltung in der Kritik steht, erklärte sich zur Aufnahme von mehreren tausend syrischen Flüchtlingen bereit. Das Angebot soll jedoch nur für Menschen gelten, die in Lagern nahe der syrischen Grenze leben – nicht für Flüchtlinge, die bereits in Europa sind. Cameron sagte: „Das gibt ihnen einen direkteren und sichereren Weg ins Vereinigte Königreich, statt dass sie die gefahrvolle Reise riskieren, die tragischerweise so viele das Leben gekostet hat.“ Bislang hat Großbritannien etwa 5000 Syrer aufgenommen.

Dramatische Bilder gab es erneut aus Ungarn. Aus dem Erst-Registrierungslager Rözke an der Grenze zu Serbien flohen etwa 300 Menschen. Nach Berichten ungarischer Medien wollten sie nicht mehr länger warten. Am Ostbahnhof in Budapest marschierten Hunderte zu Fuß Richtung Österreich los. „Wenn wir in kleinen Gruppen unterwegs sind, schnappt uns die Polizei, aber gemeinsam sind wir stark“, sagte ein junger Mann aus dem syrischen Aleppo. Die Polizei ließ die Gruppe zunächst gewähren.

Die ungarischen Behörden durchsuchten aber Züge Richtung Westgrenze, um Flüchtlinge an der Weiterreise zu hindern. In der Stadt Bicske – knapp 40 Kilometer westlich von Budapest – verbrachten etwa 500 Flüchtlinge die Nacht zum Freitag in einem Zug. Sie wehren sich seit Donnerstagmittag gegen ihren geplanten Transport in ein Lager. Ein zweiter Zug mit Flüchtlingen wurde in Nagyszentjanos gestoppt. 120 Reisende wurden in Flüchtlingslager gebracht.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, appellierte an die EU, sich auf die Verteilung von bis zu 200 000 Flüchtlingen nach verbindlichen Quoten zu einigen. Zugleich müssten ausreichende Erstaufnahmezentren geschaffen werden. Die EU müsse „dringende und mutige Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu stabilisieren“. Danach komme es darauf an, Wege zu finden, um die Zuständigkeiten fair zu teilen. Meinung