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Reform ab Januar  Fünf Pflegegrade statt drei Stufen

Die Pflegeversicherung erlebt die größte Umwälzung seit 1995. Insgesamt betrifft die Reform rund 100 000 Pflegebedürftige in Sachsen-Anhalt.

Von Steffen Honig 28.12.2016, 00:01

Magdeburg l Ein Jahr intensive Arbeit zur Vorbereitung der Pflegereform haben Marcel Kabel und seine Kollegen gemeinsam mit Pflegekassen hinter sich. Kabel ist beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen-Anhalt für Altenhilfe und Pflege verantwortlich. Grundsätzlich unterstützt er die Reform. Kernpunkte sind die Umstellung von bisher drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade, sowie ein neues Pflegebedürftigkeitsbegriff, der Demenz in Begutachtung und Pflegeleistungen mit einbezieht.

„Das psychische und kognitive Beeinträchtigungen bei der Pflege besser berücksichtigt werden, war eine jahrelange Forderung von uns,“ freut sich Marcel Kabel. Die Abrechungsumstellung von Stufen auf Grade sei schwierig gewesen, weil bis zum Schluss Details auf der Bundesebene noch nicht geklärt worden seien. Nun hofft er, dass in 92 stationären Pflegeeinrichtungen mit 5500 Bewohnern, den 40 Tagespflegeeinrichtungen und 55 ambulanten Pflegediensten unter dem Dach des Paritätischen in Sachsen-Anhalt alles glatt geht.

CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge, Bundestagsabgeordneter aus Magdeburg, lobt die Pflegereform: „Ganz wichtig: Ab 2017 werden für die Pflege jährlich 5 Milliarden Euro mehr bereitgestellt. Allein für Dynamisierung, also beispielsweise die Erhöhung von Pflegeleistungen und Vergütung der Pflegekräfte, stehen jährlich 1,2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.“

Auch Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne ist zufrieden: „Das ist ein Paradigmenwechsel, den wir damit geschafft haben. Im Mittelpunkt steht künftig die Frage, wie selbstständig der Mensch bei der Bewältigung seines Alltags ist – was kann er und was könne er nicht mehr?“ Neben den klassischen Pflegetätigkeiten seien dies die Bewältigung psychischer Probleme, Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung und die Einteilung der Tagesstruktur.

„Es geht zukünftig nicht mehr um ,Minutenpflege‘ “, hebt Politiker Sorge hervor. Irrtum, meint Praktiker Kabel: „Die Minutenpflege ist nicht vorbei. Solange nicht ausreichend Personal zu Ververfügung steht, muss die Zeit für die Pflege begrenzt bleiben.“

Die Personalnot in den Heimen ist groß. Pflegekräfte arbeiten hart und verdienen vergleichsweise wenig. Marcel Kabel: „In der Bezahlung der bei uns tätigen Pflegekräfte sehen wir in der Paritätischen Tarifgemeinschaft eine Anpassung 2017 auf 92,5 Prozent und 2018 auf 95 Prozent TVÖD-Niveau vor und setzen so ein Zeichen gegen Dumpinglöhne in der Pflege.“

Pferdefuß: Die Heimkosten steigen dadurch. Da die Pflegeversicherung nicht alles abgedeckt, bleibt ein Quantum der Kosten Eigenanteil der Pflegebedürftigen. Der ist in Zukunft unabhängig vom Pflegegrad für jeden Bewohner einer Pflegeeinrichtung gleich hoch. Zwischen den verschiedenen Heimen gibt es – je nach Kostenstruktur – jedoch auch weiterhin Preisunterschiede. „Je besser Pflegekräfte bezahlt werden, desto mehr müssen leider auch die Bewohner hinzuzahlen“, sagt Kabel.

Laut einer Studie des Nürnberger Institus für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verdiente eine Pflegefachkraft in Sachsen-Anhalt 2015 durchschnittlich 1879 Euro, eine Krankenschwester 2905 Euro. Diese Schere zu schließen, war Ziel der Reform der Pflegeberufe, die die Ausbildung vereinheitlichen soll. Bisher ist sie jedoch nicht in trockenen Tüchern.

Dazu erklärt Tino Sorge: „Diese Reform ist etwas aufgeschoben worden. Die Idee ist eine generalisierte Ausbildung für alle Pflegeberufe. In der Diskussion besteht die Befürchtung, dass das Gesetz in der jetzigen Form dazu führen könnte, dass „mit den Füßen“ abgestimmt wird und die ausgebildeten Fachkräfte dahin gehen, wo sie das meiste verdienen – bisher im Klinikbereich.“

Ist also keine generelle Änderung bei der schlechten Bezahlung von Pflegekräften in Sicht? Sorge: „Wir müssen dahin kommen, dass Pflege besser vergütet wird. Das beginnt schon bei den Pflegesatz- verhandlungen der Krankenkassen mit den entsprechenden Einrichtungen. Die Sätze dürfen nicht so knapp bemessen sein, dass Pflegedienstbetreiber ihre Leute nicht angemessen bezahlen können. Tariflohn ist mit den Neuregelungen kein Kriterium mehr für die Kassen, den Pflegeeinrichtungen Bezahlung mit Tariflohn als Un- wirtschaftlichkeit vorzuwerfen.“ Meinung