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Wahlkampf CDU und Wirtschaft greifen Schulz an

SPD-Kanzlerkandidat Schulz facht mit seinen Reformvorschlägen bei der Agenda 2010 den Wahlkampf an. Kritik kommt von der Wirtschaft.

21.02.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Die Wirtschaft und der Koalitionspartner Union haben die Reformvorschläge von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für den Arbeitsmarkt attackiert. „Wir haben die Arbeitslosigkeit seit 2005 halbiert. Was Kandidat Schulz fordert, gefährdet diesen Erfolg“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Dienstag dem „Handelsblatt“. Nötig sei dafür Flexibilität am Arbeitsmarkt, nicht eine längere Bezugszeit von Arbeitslosengeld, wie Schulz zuvor angedeutet hatte.

Auch Deutschlands Arbeitgeber kritisierten Schulz massiv. „Viele Vorschläge sind ohne präzise Kenntnis der Zahlen oder der Rechtslage in Deutschland formuliert“, wiesen die Arbeitgeber Schulz‘ Forderung nach einem längeren Arbeitslosengeld I zurück. Die SPD wolle zurück in die 1990er Jahre: „Damit kann man die deutschen Arbeitsplätze nicht sichern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter, der „Nordwest-Zeitung“.

Sattelfest bei den Zahlen zu befristeten Arbeitsverträgen zeigten sich weder Wirtschaft noch Schulz: Der SPD-Kanzlerkandidat hatte im Interview der „Bild“-Zeitung behauptet, in der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren hätten knapp 40 Prozent befristete Verträge. Tatsächlich waren es 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 17,9 Prozent. Aber auch die BDA, die von gut zwölf Prozent sprach, lag falsch. Nimmt man alle Beschäftigten, hatten 8,4 Prozent einen befristeten Arbeitsvertrag – der EU-Schnitt war 11,3 Prozent.

Die SPD-Linke wies die Kritik der Arbeitgeber zurück. „Die Möglichkeiten, befristete Verträge zu schließen und auf Leih- und Zeitarbeit zurückzugreifen, wurden inflationär ausgenutzt und haben zu großen Ungerechtigkeiten geführt“, sagte der Sprecher der linken SPD-Abgeordneten, Matthias Miersch, der dpa. Auch der konservative SPD-Flügel vom „Seeheimer Kreis“ steht zu Schulz: „Das sind Reparaturmaßnahmen, wo die Agenda 2010 nicht so gewirkt hat, wie wir uns das vorgestellt haben, wo es Fehlentwicklungen und Missbrauch gab“, sagte deren Sprecher Johannes Kahrs der „Rheinischen Post“.

Schulz will im Wahlkampf mit dem Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit punkten. Dafür will die SPD unter anderem auch das Rentenniveau halten. Diese Rückbesinnung auf den Markenkern der Sozialdemokraten hatte bereits der scheidende SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel eingeleitet. Schulz hält gewisse Korrekturen an der 2003 vom damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebrachten Hartz-Reformen (Agenda 2010) für möglich.

„Menschen, die viele Jahre, oft Jahrzehnte, hart arbeiten und ihre Beiträge gezahlt haben und zahlen, haben ein Recht auf entsprechenden Schutz und Unterstützung, wenn sie – oft unverschuldet – in große Probleme geraten“, hatte der 61-Jährige bei einer Arbeitnehmerkonferenz seiner Partei in Bielefeld gesagt. In der „Neuen Westfälischen“ ergänzte er: „Die Agenda war in vielen Punkten ein Erfolg, in manchen nicht. Wir müssen Lösungen mit heutigen Antworten finden und nicht mit einer rückwärts gewandten Debatte.“

Warnungen vor einer Aufweichung der Agenda 2010 kamen von prominenten Wirtschaftsexperten. „Ein wesentlicher Bestandteil waren die Reformen der Agenda 2010, die den beeindruckenden Abbau der Arbeitslosigkeit und gleichzeitigen Aufbau der Beschäftigung seit 2005 mitgetragen haben“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, der „Rheinischen Post“. Ifo-Institut-Präsident Clemens Fuest sagte der Zeitung: „Bei undifferenzierter Rückabwicklung der Agenda drohen Gefahren für den Arbeitsmarkt und für das Wirtschaftswachstum in Deutschland.“

Seit die SPD Ende Januar den früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz zum Kanzlerkandidaten nominierte, legte die Partei in den Umfragen kräftig zu. In einer Insa-Umfrage für die „Bild“-Zeitung hat nun aber wieder die Union knapp die Nase vorn. Die SPD erreicht in der Sonntagsfrage 30 Prozent (-1 zur Vorwoche), die Union 31,5 Prozent.