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Arbeitsmarkt Streit um „Agenda 2010“-Korrektur

Kanzlerin Merkel lehnt Änderungen strikt ab und tadelt ihren aktuellen SPD-Herausforderer Schulz.

26.02.2017, 23:01

Berlin/Stralsund (dpa) l Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und führende Unionspolitiker gehen in der Arbeitsmarktpolitik auf Konfrontation zum SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Das Festhalten an den „Agenda 2010“-Reformen der früheren rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder sei eine Grundvoraussetzung für weiteren wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Ausgleich in Deutschland, sagte Merkel am Sonnabend in Stralsund beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns. Auch die Grünen gingen bei dem Thema auf Distanz zu Schulz.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz will Teile der seit jeher in der SPD umstrittenen „Agenda 2010“ zurückdrehen. So sollen Arbeitslose länger als bisher Arbeitslosengeld I erhalten und Arbeitsverträge nur noch bei sachlicher Begründung befristet werden dürfen. In Umfragen zur Bundestagswahl im September liegt die SPD inzwischen erstmals seit Jahren wieder gleich auf mit oder sogar knapp vor der CDU.

Lobend äußerte sich die Kanzlerin über den Architekten des Reformpakets, dessen besonders umstrittener Teil die Hartz-IV-Reformen sind. „Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich mit der ‚Agenda 2010‘ um Deutschland verdient gemacht“, betonte die CDU-Vorsitzende.

Auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) nahm Schröders Reformen in Schutz. „Die „Agenda 2010“ war ein Erfolg“, sagte der CSU-Politiker. „Nur weil der neue Kandidat Gewerkschaftsrhetorik betreibt, heißt es nicht, dass wir der SPD hinterherlaufen müssen.“ Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Landeschef, Lorenz Caffier, griff Schulz frontal an. Die Reform der „Agenda“-Reformen sei „ein Treppenwitz der Geschichte“ und gefährde die wirtschaftliche Entwicklung, sagte er. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) twitterte: „Wir haben gut regiert. Genossen, macht nicht wieder alles kaputt!“

Merkel sagte, für die CDU gehörten wirtschaftlicher Erfolg, wirtschaftliche Tatkraft und sozialer Ausgleich zusammen. „Die Christlich-Demokratische Union ist die Partei, die gleichermaßen sagt, wir müssen uns überlegen, wie etwas erwirtschaftet wird, wie überhaupt Steuereinnahmen beim Staat ankommen und gleichzeitig überlegen, wie wir sie gerecht verteilen.“ Den Parteien links von der Union warf sie vor, einen Wettbewerb darum zu führen, was alles verteilt werden könne.

Linken-Chefin Katja Kipping erneuerte die Forderung ihrer Partei, die SPD solle schon jetzt mit der rechnerischen Mehrheit links von der Union im Bundestag die „Agenda 2010“ kippen: „Ich fordere Martin Schulz auf, gemeinsam mit der Linken das Kündigungsschreiben für die unwürdigen Hartz-IV-Sanktionen im Land aufzusetzen.“

Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Schulz‘ Vorstoß bei der „Agenda 2010“ dagegen als „sehr altbacken“. In der „Bild am Sonntag“ nahm er das „Gesellschaftsbild“ des SPD-Kanzlerkandidaten aufs Korn: „Aus SPD-Sicht gehören ältere Arbeitnehmer entweder in den Ruhestand, Stichwort Rente mit 63, oder sie sollen länger Arbeitslosengeld bekommen.“

Andere Grünen-Politiker forderten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld schon nach vier Monaten Beschäftigung. Danach sollten zwei Monate Arbeitslosengeld I gewährt werden, heißt es in einem Arbeitsmarkt-Papier. Bisher hat ein Arbeitnehmer erst nach zwölf Monaten Beschäftigung Anspruch auf dann sechs Monate ALG I. Die Idee der Grünen käme Beschäftigten zugute, die nur kurze Arbeitsverträge bekommen und zwar Beiträge zahlen müssen, aber keinen Anspruch haben.