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Kohl-Beisetzung Familienfehde überschattet Totenmesse

Das politische Berlin nimmt Abschied von Helmut Kohl. Doch die Familienfehde überschattet auch die Totenmesse für den Altkanzler.

Von Nico Pointner, dpa 27.06.2017, 23:01

Berlin l Nach vielen Liedern, dem Kyrie, nach Unmengen von Weihrauch und einem Gleichnis aus dem Evangelium geht es plötzlich um ganz weltliche Dinge in der Berliner Hedwigs-Kathedrale. Auch in der Familie von Helmut Kohl hätten alle eben ein ganz eigenes Bild von ihm, sagt Priester Karl Jüsten am Dienstagmorgen. „Wir Außenstehenden sollten uns bei der Bewertung dieser unterschiedlichen Sichtweisen zurückhalten.“ Er redet von dem erbitterten Familienstreit zwischen der Witwe Maike Kohl-Richter und Kohls Sohn Walter. Er findet Worte zu dem sprachlos machenden Trauerspiel von Oggersheim.

Die Unionsfraktion im Bundestag hat am Dienstag zu einer Totenmesse für den Altkanzler geladen. Denn viele Abgeordnete wollten sich kirchlich von Kohl in der Stadt der Wiedervereinigung verabschieden. Kohl, 16 Jahre Kanzler und 25 Jahre CDU-Vorsitzender, war am 16. Juni mit 87 Jahren gestorben. Am 1. Juli ist ein europäischer Trauerakt in Straßburg geplant. Beigesetzt werden soll er in Speyer.

Einen Staatsakt in Berlin, wie ihn sich Sohn Walter für seinen Vater wünscht, wird es nicht geben.

Die Politprominenz der Hauptstadt nimmt am Morgen auf den harten Kirchenbänken Platz. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gekommen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, fast das vollständige Kabinett, Hunderte Parlamentarier. Die Messe war nach Angaben der Fraktion mit Kohls Witwe, Maike Kohl-Richter, abgestimmt. „Das ist keine Ersatztrauerfeier für Straßburg oder Speyer, sondern im besten Fall eine Ergänzung“, sagte eine Fraktionssprecherin vorab.

„Wir sind dankbar, dass wir Helmut Kohl in unseren Reihen haben durften“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder am Altar. „Niemand ist vollkommen, auch Helmut Kohl war Mensch.“ Menschen seien ihm wichtig gewesen. So habe er sich bei den Abgeordneten immer nach dem Wohlergehen der Familie erkundigt.

In der Familie von Kohl herrscht unterdessen bitterer Streit. Das Verhältnis von Witwe Maike Kohl-Richter und Kohls Sohn Walter gilt seit langem als angespannt. Walter Kohl will an der geplanten Beisetzung in Speyer nicht teilnehmen, weil sein Vater nicht im Familiengrab der Kohls in Ludwigshafen an der Seite seiner ersten Frau Hannelore beerdigt wird.

Maike Kohl-Richter wird von vielen Seiten vorgeworfen, sie habe Kohl abgeschirmt und dafür gesorgt, dass er sich von alten Vertrauten und Familienmitgliedern lossagte.

Der rheinland-pfälzische Zwist ist auch bei der Totenmesse im fernen Berlin spürbar. „In dieser Stunde sind unsere Gedanken auch bei Helmut Kohls Witwe sowie bei seinen Söhnen und ihren Familien“, sagt Priester Jüsten. „Und wir wünschen ihnen allen, dass sie untereinander Versöhnung und Frieden erfahren.“

Es klingt letztlich wie ein Appell an die Familie des verstorbenen Altkanzlers.