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NSA-Ausschuss Zum Schluss noch einmal mächtig Ärger

Der NSA-Untersuchungsausschuss deckte unerhörte Überwachungspraktiken auf - auch des BND. Aber manche Fragen bleiben weiter ungeklärt.

28.06.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Vor vier Jahren brachte Edward Snowden einen gigantischen Skandal ins Rollen. Der frühere NSA-Mitarbeiter machte die globalen Überwachungsaktionen des US-Geheimdiensts publik, der sogar das Handy der Bundeskanzlerin abhörte. Der Aufschrei war groß. „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, schimpfte Merkel. Im Folgejahr nahm der Parlamentarische Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf. Die NSA-Affäre entwickelte sich zu einer BND-Affäre und ist für viele der größte Geheimdienstskandal der vergangenen Jahrzehnte. Was wurde erreicht und was nicht?

 Worum ging es im NSA-Ausschuss?

Das Gremium wollte klären, ob und wie Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands deutsche Daten ausspähten. Auch ob US-Stellen gezielte Tötungen durch Drohnen-Einsätze aus Deutschland gesteuert haben, interessierte die Parlamentarier. Geklärt werden sollte zudem, was die Bundesregierung und deutsche Nachrichtendienste von den Spähaktivitäten wussten und wie eng sie mit ihren ausländischen Partnern zusammenarbeiten. Auch über Konsequenzen sollte beraten werden, so dass Daten von deutschen Unternehmen, Bürgern und staatlichen Stellen besser vor Ausspähungen geschützt werden.

Wie sah die Arbeit aus?

Stapelweise bekamen die Abgeordneten Akten – mal auch geheime oder vielfach geschwärzte Akten. Sie analysierten die technischen, juristischen und politischen Hintergründe des millionenfachen Absaugens von Daten. Stundenlang vernahm der Ausschuss hochrangige Politiker – auch Kanzlerin Angela Merkel, die früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Thomas de Maizière (CDU), aber auch NSA-Aussteiger und zahlreiche BND-Mitarbeiter. Für Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele, der sich nun aus dem Bundestag verabschiedet, war es schon der fünfte Untersuchungsausschuss. Der NSA-Ausschuss sei der anstrengendste gewesen, „aber er war auch einer der ertragreichsten“, sagt der 78-Jährige.

Was hat das Gremium erreicht?

„Kein Ausschuss oder Kon-trollgremium hat sich bisher so intensiv damit beschäftigt, wie elektronische Kommunikationsüberwachung im 21. Jahrhundert funktioniert“, sagt der SPD-Vertreter des Gremiums, Christian Flisek. Die Abgeordneten fanden skandalöse Dinge heraus, nach denen sie überhaupt gar nicht gesucht hatten: Auch der BND spähte über Jahre Daten befreundeter Staaten sowie von Unternehmen mit Suchbegriffen (Selektoren) aus. Dazu zählen E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen. Dies unternahm der BND beileibe nicht nur für die NSA. Er sei aus allen Wolken gefallen, als er von den BND-Praktiken gelesen habe, sagt Ströbele. Die Vertreter des Kanzleramts – der Aufsichtsbehörde über dem BND – behaupteten in den Vernehmungen immer wieder, über die Ausspähungen nicht informiert gewesen zu sein.

 Was hat er nicht erreicht?

Viele Fragen bleiben weiterhin offen – vor allem über die NSA. „Richtig vorgedrungen sind wir in dem Bereich nicht“, sagt Flisek. „Wir wissen überhaupt nicht, was die NSA alleine oder mit Hilfe von deutschen Daten, die über die USA laufen, ausspioniert hat“, so Ströbele. Mehrere Versuche der Opposition, Edward Snowden, den vielleicht wichtigsten Zeugen, nach Deutschland zu holen, scheiterten. Auch Vertreter großer IT-Konzerne, etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder Apple Chef Tim Cook, lehnten eine Aussage in Berlin ab.

 Hat der Ausschuss konkrete Konsequenzen?

Ja. So hat die Koalition dem Bundesnachrichtendienst (BND) 2016 per Gesetz strengere Regeln verpasst. Ein externes Richtergremium soll die vom BND eingesetzten Spionage-Selektoren überprüfen. Die Opposition kritisierte die Reform als Legitimierung von Massenüberwachung. Andere wunde Punkte bleiben – so deckte der Ausschuss nach Ansicht etwa der SPD Schwachstellen bei der Spionageabwehr auf. „Da ist noch unglaublich viel Luft nach oben beim Bundesamt für Verfassungsschutz“, sagt Flisek.

 Warum gibt es nun zum Schluss nochmal Ärger?

Nachdem der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) den fast 2000 Seiten dicken Abschlussbericht an Bundestagspräsident Norbert Lammert ausgehändigt hatte, übergab auch die Opposition – und das ist ungewöhnlich – ihr eigenes Sondervotum. Dieses Votum ist im Schlussbericht zwar enthalten. Allerdings sind dort deutlich mehr Stellen geschwärzt als in der Oppositionsversion. Zuletzt hatte es um das Votum mächtig Ärger gegeben, Sensburg berief sogar die Linken und Grünen als Berichterstatter ab. Mit ihrem Sondervotum macht die Opposition klar: Sie sehen eklatante Defizite auch im Bundeskanzleramt. Für die Koalition liegen Verfehlungen ausschließlich beim BND.

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