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Bundesregierung Kitas sollen Impfmuffel melden

Wer sein Kind in einer Kita unterbringen möchte, muss eine Impfberatung vorweisen. Wem der Nachweis fehlt, dem droht Meldung beim Amt.

26.05.2017, 23:01

Berlin/Magdeburg (dpa/bo) l Die Bundesregierung will entschiedener gegen Impfmuffel vorgehen – lehnt eine Impfpflicht aber weiterhin ab. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll. Demnach müssen Kitas jene Eltern, die bei der Anmeldung keinen Nachweis über eine Impfberatung vorlegen können, künftig beim Gesundheitsamt melden. Die Behörde soll so die Möglichkeit bekommen, auf die Eltern zuzugehen und sie zur Beratung zu laden.

Damit sollten nicht unbedingt Impfgegner, sondern vor allem jene Familien erreicht werden, die die Impfungen vergessen oder weiteren Beratungsbedarf hätten, sagte am Freitag eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Berlin. Zudem gebe es nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene mit Impflücken. „Da besteht natürlich auch die Hoffnung, dass man diese Erwachsenen mit einer Impfberatung erreicht, und dass die dann die Impfungen nachholen können.“

Der Nachweis einer Impfberatung bei der Kita ist seit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes Mitte 2015 Pflicht. Wer sich hartnäckig weigert, dem droht schon jetzt eine Geldbuße in Höhe von 2500 Euro. Die Kitas konnten bislang aber selbst entscheiden, ob sie Eltern, die keine Impfberatung belegen können, beim Gesundheitsamt melden.

Am Wochenende war es in Deutschland zum ersten Masern-Todesfall 2017 gekommen. Eine 37 Jahre alte Frau in Essen starb trotz intensivmedizinischer Behandlung.

Eine Impfpflicht, wie sie gerade in Italien eingeführt wurde, hatte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zuletzt ausgeschlossen. Die Impfpflicht in Italien gilt für zwölf Krankheiten, darunter Masern. Gröhe geht aber davon aus, dass die Masern in Deutschland auch ohne Impfpflicht verbannt werden können. „Ich glaube, dass unsere Maßnahmen das Ziel erreichen werden“, sagte er.

Die Masernzahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark. So gab es in Deutschland 2016 325 Fälle und 2015 knapp 2500 Fälle. 2004 waren es 123 Fälle und 2001 über 6000. Nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollen Säuglinge die erste Masernimpfung zwischen elf und 14 Lebensmonaten erhalten, die zweite zwischen 15 und 23 Monaten.

Eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Gesundheitsministeriums sagte am Freitag der Volksstimme, das Land habe Gesundheitsziele festgeschrieben und arbeite seit Jahren an der Umsetzung. Das gelte auch für das Gesundheitsziel „Altersgerechter Impfstatus bei über 90 Prozent der Bevölkerung“. Die Gesetzesnovelle sei für Sachsen-Anhalt „in diesem Kontext ein weiterer kleiner Baustein“. Die Sprecherin betone, dass die Impfraten in Sachsen-Anhalt „sehr hoch“ seien. Demzufolge dürfte es „im Land nur eine geringe Anzahl zu beratender Eltern geben“.

Handlungsbedarf wird bei Kindern der dritten und sechsten Klassen gesehen. Dort gehe es Lücken bei den Auffrischimpfungen gegen Tetanus, Diphterie und Pertussis.

Die Ständige Impfkommission nennt in ihrem Impfkalender 14 Standardimpfungen. Unter ihnen sind etwa Tetanus, Diphtherie, Hepatitis B, Rotaviren, aber auch Meningokokken C, Mumps, Masern, Röteln und die Influenza. Die meisten Impfungen werden laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im frühen Kindesalter durchgeführt.

In Deutschland lassen sich die meisten Menschen impfen. Laut BZgA haben rund 95 Prozent der Erstklässler wesentliche Grundimpfungen erhalten. Die Bundeszentrale betont, Infektionskrankheiten wie Masern oder Mumps seien alles andere als harmloser „Kinderkram“. Eltern, die ihr Kind bewusst nicht impfen ließen, fügten ihm unter Umständen Schaden zu, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach.

Impfgegner leugnen häufig die Wirksamkeit oder warnen vor den Risiken der Vielzahl an Impfungen. Laut Ständiger Impfkommission wurde in den vergangenen Jahren immer wieder darum gestritten, ob das Impfen Autismus, Diabetes oder Multiple Sklerose auslöse. Einen Nachweis dafür gibt es demnach allerdings nicht. Auch kritisieren die Gegner immer wieder, dass das Immunsystem der Kinder durch die vielen Impfungen überlastet sei. Thomas Fischbach hält dagegen: „Das Risiko, durch Nicht-Impfung zu Schaden zu kommen der gar zu sterben ist deutlich höher als ein etwaiges Impfschaden-Risiko.“ Meinung