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Bundestagswahl Grüne Suche nach der Doppelspitze

Noch bis Freitag können die grünen Parteimitglieder ihr Führungsduo für die Bundestagswahl im Herbst bestimmen. Es gibt vier Kandidaten.

Von Teresa Dapp, dpa 08.01.2017, 23:01

Berlin l Niemand soll denken, dass die Grünen beim Thema innere Sicherheit nach dem Krach der vergangenen Tage verschreckt sind. Eigentlich sollen sich die vier Kandidaten, die ihre Partei in den Bundestagswahlkampf führen wollen, nur kurz vorstellen. Stattdessen reden drei von ihnen erst einmal ungefragt und ausführlich über Polizei, Terrorabwehr und Zuwanderungspolitik. Beim letzten Vorstellungstermin vor dem Ende der Spitzenwahl wird sofort sichtbar: Die Partei steht unter gewaltigem Druck.

Die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter teilen gegen die Union aus, Parteichef Cem Özdemir spricht über Prävention. Über Simone Peter spricht keiner – die Parteivorsitzende, die in den letzten Tagen mit einem Kommentar über die Kölner Polizei einen gewaltigen Shitstorm über sich und damit die Partei gebracht hat.

Oder doch? Robert Habeck, der Landesminister aus Schleswig-Holstein, nennt keine Namen, teilt aber aus. „Ich will, dass die Partei eine Aufstellung findet, die uns nicht bei neun Prozent verrecken lässt“, wettert er mit Blick auf Umfragewerte. Die Grünen hätten es nicht verdient, „mit einer zerstrittenen Führung“ in die Bundestagswahl zu gehen.

Das Prinzip der Doppelspitze gilt auch für die Spitzenkandidatur. Am 18. Januar wird bekannt gegeben, mit wem Göring-Eckardt die Grünen in den Wahlkampf führt – sie ist die einzige Bewerberin auf den Frauenplatz. Es kandidieren ein Linker (Hofreiter) und zwei vom Realo-Flügel (Özdemir und Habeck). Zu den Realos wird auch Göring-Eckardt gezählt.

Alle vier versichern bei jeder Gelegenheit, dass die Urwahl mit einer Richtungsentscheidung für Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün nichts zu tun habe. Fest steht für sie nur: Nach den enttäuschenden 8,4 Prozent 2013 soll es diesmal besser laufen. Danach sieht es derzeit nicht aus, von 13 Prozent ist die Partei in Umfragen auf 9 abgerutscht.

Den Grund sieht Habeck wie viele andere in internen Streitereien zwischen den Flügeln bis hinauf zu den Vorsitzenden. Wenn Özdemir und Peter nicht öffentlich verschiedener Meinung sind, dann tragen die Parteilinken Jürgen Trittin und Volker Beck Kabbeleien mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus.

Dass Ex-Umweltminister Trittin nun im Spiegel zu Protokoll gibt, er würde auch wieder Regierungsverantwortung übernehmen, ärgert unter anderem Habeck: Das sei eine „milieuinterne Diskussion“, die außerhalb der Partei überhaupt niemanden interessiere. Gegenwind kommt auch vom Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer: „Mir scheint, die Ansage, Trittin will Minister werden, könnte vor allem dazu dienen, dass kein Grüner Minister wird“, meint er.

Auch Hofreiter, der Linke, wird in Berlin einmal grantig mit Blick auf die Streitereien, aber aus anderer Warte. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern müsse besser funktionieren, findet er – man muss es als Seitenhieb Richtung Kretschmann verstehen, der immer wieder querschießt, zuletzt wieder bei den sicheren Herkunftsstaaten. Man müsse nicht „in jede Kamera reden“, nur weil man gefragt werde.

Immerhin: Von solchen Bemerkungen abgesehen geht es aber wie schon bei den anderen Kandidaten-Vorstellungen recht friedlich zu. Bei grünen Kernthemen wie Energiewende und nachhaltiger Landwirtschaft liegen die vier inhaltlich nah beieinander.

Die kleine Aufbruchstimmung des Urwahl-Starts vom Herbst ist an diesem Wochenende in Berlin trotzdem deutlich gedämpft. Die Grünen haben mit der basisdemokratischen Übung Mitglieder geworben, aber in der öffentlichen Wahrnehmung fallen ihre Probleme bei Sicherheitsfragen nach dem Berliner Anschlag mehr ins Gewicht. Der Bundesvorstand hat innere Sicherheit schnell noch auf die Tagesordnung seiner Klausur geschrieben, die am Montag beginnt, und den Bundeskriminalamts-Präsidenten Holger Münch eingeladen.

Zudem erhofft die Partei sich von ihrem neuen Spitzenduo, dass wieder eine klare politische Linie erkennbar wird. Bis Freitag darf die Basis noch wählen, aber das Ergebnis steht vielleicht schon fest. Knapp die Hälfte der fast 61 000 Grünen-Mitglieder hat ihre Kreuzchen schon gemacht.