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Bundeswehr Von der Leyen spricht von "Führungsversagen"

Zu viel Korpsgeist, eine Todesliste und Pannen bei der Asyl-Anhörung: Der bizarre Fall des rechtsradikalen Offiziers zieht weite Kreise.

01.05.2017, 15:34

Berlin (dpa) l Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht in dem Skandal um den wegen Terrorverdachts inhaftierten Bundeswehroffiziers einen weiteren Beweis für schlechte Führung in den Streitkräften. "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen", sagte die CDU-Politikerin am Sonntag im ZDF. Von der Leyen ist seit 2013 als Verteidigungsministerin Vorgesetzte der deutschen Soldaten.

Aus der SPD kam scharfe Kritik: "Wer nach drei Jahren im Amt über ein breites Führungsversagen in der Bundeswehr klagt, der klagt sich selbst an", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. "Frau von der Leyen hätte ausreichend Zeit gehabt, um die Missstände abzustellen." Stattdessen versuche sie am Ende der Wahlperiode, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Von der Leyen bestätigte, dass die rechtsextreme Gesinnung des Soldaten den Vorgesetzten schon länger bekannt war. Seine Masterarbeit von 2014 habe "ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengut", so die Ministerin. Die Vorgesetzten hätten ihre Verantwortung nicht wahrgenommen und die Haltung des Soldaten "aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet".

Der in Frankreich stationierte Oberleutnant Franco A. sitzt seit seiner Festnahme am Mittwoch in Frankfurt in Untersuchungshaft. Er soll als Flüchtling getarnt eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Auch ein 24-jähriger mutmaßlicher Komplize sitzt in U-Haft.

Berufssoldat Franco A. soll nach Erkenntnissen von Ermittlern eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern geführt haben. Darauf stand unter anderem der Name der aus der Neonazi-Szene häufig attackierten Berliner Linke-Abgeordneten Anne Helm, wie ein Polizeisprecher dem Sender rbb bestätigte. Der Oberleutnant hatte sich eine falsche Identität als syrischer Flüchtling zugelegt. Die Verteidigungsministerin sagte, man wisse weiterhin nicht genau, was der Soldat plante und ob er Unterstützer hatte.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte dem Soldaten nach einer Anhörung auf Französisch Ende 2016 eingeschränkten Schutz als Kriegsflüchtling aus Syrien gewährt. Die "Nürnberger Nachrichten" berichteten unter Berufung auf das Anhörungsprotokoll, die Asylakte weise zahlreiche Mängel und Ungereimtheiten auf. Früh habe es Hinweise gegeben, dass der Antragsteller unter seiner angeblichen Identität kaum in Erscheinung getreten sei. Seine Angabe über eine Verletzung, die er bei einem Angriff der IS-Terrormiliz erlitten habe, sei entgegen den Gepflogenheiten nicht überprüft worden.

Nach einem Bericht der Zeitung "Die Welt" soll ein von der Bundeswehr abkommandierter Soldat das Asylverfahren bearbeitetet haben. Das BAMF teilte am Wochenende mit, man könne aufgrund der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Details bestätigen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versprach eine strenge Untersuchung zur Frage, wieso der deutsche Soldat als Flüchtling aus Syrien registriert wurde. Bereits am Freitag hatte die Bundesregierung Fehler eingeräumt.

Nach Einschätzung des CDU-Politikers Clemens Binninger haben in dem vorliegenden Fall "alle Mechanismen der Qualitätssicherung versagt". Die Extremismus-Abwehr sei Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes MAD, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Der kann er aber nur nachkommen, wenn er über solche Verdachtsfälle auch informiert wird." Binninger forderte eine stärkere direkte Kontrolle in Asylverfahren durch Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste.