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EU-Debatte Glatt gebügeltes Europa

Wie Martin Kotthaus vom Außenministerium bei einer Debatte in Magdeburg versucht, Kritik an der EU abzuwehren.

Von Steffen Honig 21.01.2017, 00:01

Magdeburg l Brexit, Flüchtlingskrise, Niedrigzinsen – die EU macht es ihren Bürgern nicht leicht, sie zu mögen. Dies ist für das Auswärtige Amt Anlass zu einer Diskussions-Tour durch Deutschland. Am Donnerstag war Magdeburg an der Reihe.

Martin Kotthaus ist seit Jahrzehnten im politischen Geschäft. Er war Sprecher von Bundesfinanzminister Schäuble und leitet derzeit die Europa-Abteilung im Außenministerium. Gemeinsam mit dem sachsen-anhaltischen Europaminister Rainer Robra, Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters als Moderator und rund 130 Gästen in der Staatskanzlei versucht der Außenamtsvertreter zu ergründen, wie man sich in Sachsen-Anhalt Europa wünscht. Die EU ist kein Langweiler mehr wie noch vor zehn Jahren, sondern interessant, seit sie in Schwierigkeiten steckt.

Kotthaus sieht das nicht so eng. Er ist voll auf Optimismus geeicht und findet: „Europa ist gar nicht so marode!“ Die EU hätte in den vergangenen Jahren „ganz gut“ gearbeitet. Freilich – das mit dem Brexit habe „unglaublich weh getan“ und müsse erst verdaut werden.

In kürzester Zeit habe die Europäische Union einen Küstengrenzschutz aufgebaut, über den jahrelang nur geredet worden sei. Kotthaus verweist auf den 2016 massiv zurückgegangenen Flüchtlingszustrom und darauf, dass 90 Prozent der Migranten behördlich erfasst worden seien.

Europaminister Rainer Robra gesteht zu, dass die EU eine Vielzahl von Lösungen „gut hinbekommen“ habe und verweist auf die Finanzkrise. Doch der Plan zur Flüchtlingsverteilung sei gescheitert. Und zwar an der „Irrationalität von manchen Emotionen“ in einigen Mitgliedsländern. Gemeint ist Osteuropa.

Als belebendes Element können sich die Besucher per Abstimmung an Pro- und Kontra-Debatte beteiligen. Hierfür müssen sie mit erhobenen grünen oder roten Karten auf spezielle Fragen antworten. So nach der Sicherheit der Grenzen, der Kompetenz-Verteilung zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten oder nach einem Machtzuwachs für das Europäische Parlament.

Am häufigsten wird bei den Voten „Grün“ gezeigt. Das liegt wohl am mehrheitlich europa- freundlichen Publikum.

Doch die Kritiker sind ebenfalls ordentlich vertreten. Unter denen, die stets rote Karten nach oben recken und sich zu Wort melden, ist der offizielle Landtagsvertreter – Vizepräsident Willi Mittelstädt von der AfD. Er prangert die Griechenland-Hilfe mit deutschem Steuergeld an.

Im Saal sitzt auch eine Gruppe junger Italiener, Franzosen, Spanier, Russen und Amerikaner. Es sind Sprachassistenten, die an hiesigen Schulen bei der Vermittlung ihrer Heimatsprache helfen. Aus diesem Kreis meldet sich eine Italienerin, die sich vehement gegen Abschottung und verstärkten Grenzschutz ausspricht: „Europa sollte offen für Fremde sein.“ Es gibt zarten Beifall.

Martin Kotthaus geht auf die Klage eines Besuchers ein, dass Deutschland zwar das meiste in die EU-Finanztöpfe einzahle, sich aber bei den Entscheidungen über den Tisch ziehen lasse. Der Außenpolitiker sieht das erwartungsgemäß anders. Er würdigt die Einführung des Lastschriftverfahrens bei Geldüberweisungen in der EU auf deutsches Drängen hin als großen Erfolg.

Eine Besucherin empört sich über die soziale Schieflage der EU, die das Großkapital unterstütze während die kleinen Leute sehen müssten, wo sie blieben. „Die Menschen werden immer aggressiver“, erklärt sie. Kotthaus hält dagegen, dass die „soziale Frage nicht europäisiert“ sei. Dieser Bereich bleibe in Verantwortung der nationalen Regierungen.

Die heikelste Frage kommt zum Schluss. Eine ältere Dame möchte wissen, ob womöglich noch Negativzinsen auf die deutschen Sparer zukommen. Kotthaus weiß das zwar auch nicht, hat aber eine Beruhigungspille parat: Wenn die Inflation stabil bei zwei Prozent liege, werde es auch wieder Zinsen geben. Überzeugt wirkt die Fragestellerin nicht.