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FDP-Parteitag Mit Bildungsoffensive zurück zur Macht

Die FDP will auf ihrem Parteitag ihr Wahlprogramm verabschieden und eine neue Führung wählen. Aus Sachsen-Anhalt bewirbt sich Frank Sitta.

Von Werner Herpell 27.04.2017, 23:01

Berlin l Zurückhaltung geht anders: Unter einer Ikone der Weltpolitik macht es die FDP nicht beim Thema Bildung. „John F. Kennedy hatte damals diesen Traum: Der erste Mensch auf dem Mond ist ein Amerikaner“, sagt Parteimanagerin Nicola Beer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur über ihre Inspirationsquelle. „Wir wollen Bildung zum deutschen Mondfahrtprojekt machen.“

In ihrem Wahlprogramm (Motto: „Schauen wir nicht länger zu“) werben die um ein Bundestags-Comeback kämpfende Freidemokraten breit für das Projekt „Weltbeste Bildung“. An erster Stelle, auf gleich zehn Seiten, hat die sonst gern als Steuersenkungs- und Klientelpartei in den Wahlkampf ziehende FDP aufgeschrieben, wie sie sich die „Bildungsrepublik“ vorstellt – und welchen Kraftakt sie dafür als notwendig erachtet. An diesem Wochenende wollen die in Umfragen bei rund sechs Prozent liegenden Liberalen auf dem Bundesparteitag in Berlin ihre Leitlinien diskutieren.

Eines scheint klar: Eine solche „Offensive für Bildung“ (so das Mantra von FDP-Chef Christian Lindner) würde viel Geld kosten, denn Deutschland soll bei den Bildungsausgaben in die Weltspitze. Das Programm dürfte bei den potenziellen Partnern Union, SPD und Grüne teilweise anschlussfähig sein, hält aber auch manchen Stolperstein bereit.

So fordert die FDP die Abkehr von einem Bildungsföderalismus mit zersplitterten Zuständigkeiten in der Schulpolitik (Stichwort „Kooperationsverbot“) – CDU und CSU, auch Teile der SPD lehnen das ab. Die Liberalen verlangen Bildungsgutscheine für Kitas und Schulen, die gleichwertige Unterstützung freier Träger sowie ein elternunabhängiges Bafög von etwa 300 Euro – plus Darlehensangebot. Genug Zündstoff also für Koalitionsgespräche.

Weitgehend kompatibel klingen liberale Vorstellungen zum digitalen Klassenzimmer – sie decken sich überwiegend mit den „Digitalpakt“-Ideen von Bund und Ländern. Und auch der FDP-Programmteil zur frühkindlichen und zur beruflichen Bildung ist vage genug für Verhandlungen.

Nicht ganz verabschieden mag sich die FDP von den längst überall in Deutschland wieder abgeschafften Studiengebühren. Darüber sollten künftig „die Hochschulen selbständig und in eigener Verantwortung entscheiden können“, betont Beer. Aber man wolle, „dass die Belastung nachlaufend zurückgezahlt werden kann – angepasst an die jeweilige Einkommenssituation. Ein Arzt kann das nach seinem Studium anders machen als ein Sozialarbeiter.“

Die FDP-Generalsekretärin, als frühere hessische Kultusministerin federführend bei den Leitlinien, glaubt nicht, „dass an unserem Bildungsprogramm Koalitionsoptionen scheitern“. Sie fügt hinzu: „Wir wollen ja auch eine gesellschaftliche Diskussion auslösen, über Qualität von Bildung, notwendige Investitionen, unsere Lehrkräfte, über die Wertschätzung für diese Leute.“ Man sei „sicher mal näher an der CDU, mal näher an der SPD – aber ich habe jetzt keine Koalitionsschere im Kopf“.

Bei einer Regierungsbeteiligung will die FDP erreichen, dass Deutschland seine Bildungsfinanzen erheblich steigert – nicht ganz einfach in Zeiten wachsender Ausgaben für Innere Sicherheit und Verteidigung. „Schon mit einem Prozentpunkt vom Mehrwertsteuer-Aufkommen, per Staatsvertrag zweckgebunden für die Bildung, könnten wir mit zehn Milliarden Euro einen Schub für eine Qualitätsoffensive auslösen“, rechnet Beer vor.

Die seit dem FDP-Wahlfiasko von 2013 amtierende Parteimanagerin will „das Feuer für Bildung wieder entfachen, weil jeder etwas kann“. Sie verweist auf Schwachstellen des pro Jahr rund 200 Milliarden Euro teuren deutschen Bildungssystems: „7,5 Millionen funktionale Analphabeten, fast jeder zwanzigste Schüler ohne Schulabschluss, 30 oder je nach Studiengang auch 50 Prozent Studienabbrecher – das ist eigentlich eine Schande.“

Daher müsse die Bundesrepublik doch „so ehrgeizig sein, bei den Bildungsinvestitionen unter die Top 5 der OECD-Staaten zu gehören“. Dort stehen laut aktueller Rangliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Großbritannien, Neuseeland, Dänemark, Norwegen und die USA. Deutschland rangiert mit seiner Quote von 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter ferner liefen.