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Frankreich-Wahlen Marsch, marsch nach rechts!

Frankreich hat eine neue „erste Partei“. So jedenfalls sieht Marine Le Pen den Erdrutschsieg ihres Front National bei den Regionalwahlen.

Von Steffen Honig 08.12.2015, 00:01

Paris l Alle Befürchtungen der französischen Traditionsparteien sind wahr geworden: Der rechtsextreme Front National räumt beim letzten großen Stimmungstest vor den Präsidentschaftswahlen 2017 beinahe ab, wie er will. Da half auch nicht die Entschlossenheit, die der sozialistische Präsidnet Fran�ois Hollande nach den Terrorattacken am 13. November in Paris an den Tag legte. Hollande rief den Ausnahmezustand aus und erklärte den IS-Terroristen den Krieg, was seinen bis dahin miesen Umfragewerten zugute kam.

Doch nicht nur die innere Sicherheit und die weit verbreitete Terrorangst treiben Le Pen die Wähler zu. Die Franzosen nehmen dem sozialistischen Präsidenten übel, dass er entgegen allen Versprechungen der Wirtschaft nicht entscheidend auf die Beine geholfen hat. Die Arbeitslosenquote liegt bei um die zehn Prozent. Im sozialen Bereich liegt der zweite Grund des Erfolgs des Front National. Der verspricht den Franzosen Arbeit, egal ob, sich das auch umsetzen lässt.

Dies erklärt den Stimmenanteil von fast 41 Prozent für die charismatische Parteichefin im nördlichen Department Nord-Pas-de-Calais-Picardie im Norden des Landes. Im Südosten des Landes kam ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen auf einen Wert. Florian Philippot, enger Vertrauter von Marine Le Pen, kam in Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine in Ostfrankreich auf 36 Prozent. Dies alles sind Regionen, in denen die wirtschaftlichen und sozialen Probleme besonders groß sind.

Die Konservativen von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy sind in einer Sandwich-Lage. Zwischen Sozialisten und Front National bleibt für sie wenig Raum zur Entfaltung.

Schon wird Marine Le Pen als nächste französische Präsidentin gehandelt. Das hätte vor Jahren noch einen Aufschrei gegeben. Ein Gründungsland der damaligen Europäischen Wirtschaftsunion läuft Gefahr, an Rechtsextreme zu fallen!

Inzwischen hält sich das Entsetzen in Europa in Grenzen. Die Entwicklung in Frankreich folgt einem beängstigenden Trend in der Europäischen Union: Hin zu populistischen, nationalkonservativen bis rechtsextremen Herrschaftsformen. Im demokratischen Rahmen noch, aber mit klar erkennbarem autokratischemn Kurs.

Prägnantestes Beispiel ist das von Viktor Orban regierte Ungarn. Der aus der Opposition gegen das damalige kommunistische Regime stammende Politiker hat Ungarn seit seiner Wahl 2010 ein stramm erzkonservatives Staatsgerüst verpasst. Durch diverse, mit absoluter Parlamentsmehrheit seiner Fidesz-Partei durchgedrückte Verfassungsänderungen wurden Justiz, Medien und Kultur so weit wie möglich gleichgeschaltet.

Die EU, deren demokratische Werte so die Donau hinuntergespült werden, droht zwar hier und da mit Sanktionen, schaut aber eher ohnmächtig zu.

Ungarn könnte zur Blaupause für Polen werden. Beide Länder stießen im Zuge der „Big Bang“ genannten EU-Aufnahme von zehn ost- und südeuropäischen Ländern 2004 zum Brüsseler Club. Nach einer mehrjährigen Periode liberaler Regierungen ist mit der PiS seit jüngstem wieder eine nationalkonservative Partei an der Macht, die polnische Interessen vor jede europäische Zusammenarbeit stellt.

Parteichef Jaroslaw Kaczynski gibt vor, was Ministerpräsidentin Beata Szydlo anordnet. Zum Beipiel, Pressetermine ohne die bisher übliche Europafahne abzuhalten. Beim Streit um neue Verfassungsrichter, bei denen die PiS ihre Leute durchdrücken will, zeigen sich klare Parallelen zwischen Warschau und Budapest.

Katalysator für den grenzüberschreitenden Marsch nach rechts ist die Flüchtlingskrise. Polen und Ungarn stehen für konsequente Abschottungspolitik. Damit sind sie einig mit den Menschen in Frankreich und Deutschland, die ihren Missmut über die Flüchlingspolitik auf die Straße tragen. Noch ist die AfD kein Front National – die Richtung ist jedoch diesselbe.