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Friedensethik Kirchentag im Zeichen der Politik

Beim evangelischen Kirchentag in Berlin warnt Martin Schulz vor Populisten. Friedensaktivisten demonstrieren gegen die Bundeswehr.

26.05.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Flüchtlinge, Terror, Rüstungspolitik: Die großen Themen der Zeit haben am Freitag den evangelischen Kirchentag in Berlin bestimmt. Ein Bündnis aus kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen erinnerte an den Tod von mehr als 10.000 Menschen, die seit 2014 auf ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ums Leben kamen. Für eine Schweigeminute um 12 Uhr wurde das gesamte Kirchentagsprogramm unterbrochen. Im Mittelpunkt des Christentreffens stand außerdem ein Auftritt von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie durch Populismus warnte.

Auf einer Gedenkveranstaltung am Berliner Hauptbahnhof wurde mit Musik, Berichten von Flüchtlingen und Seenotrettern der Toten gedacht und Fürbitte gehalten. Die Politikwissen-schaftlerin Gesine Schwan als Schirmherrin der Kampagne „Fluchtgedenken“ kritisierte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf. Den Tod Tausender Menschen auf dem Mittelmeer in Kauf zu nehmen, sei unverantwortlich. „Was Politik macht, ist die Abschottung Europas“, sagte Schwan: „Sie kann nicht gelingen.“

SPD-Chef Schulz sagte, unrealistische Politikversprechen, einfache Lösungen für komplexe Probleme und populistische Kampagnen, die auch vor Lügen und Falschinformationen nicht zurückschrecken, führten zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung. „Diese Entwicklung ist brandgefährlich“, betonte er auf einer Podiumsveranstaltung beim Kirchentag.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) legte ein klares Bekenntnis zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ab. In einem von Friedensaktivisten mehrfach unterbrochenen Bittgottesdienst mit dem evangelischen Militärbischof Sigurd Rink sagte von der Leyen, sie sei sich bewusst, dass durch Militäreinsätze allein kein Frieden geschaffen werden könne: „Aber wir können uns durch Handeln ebenso schuldig machen wie durch Nicht-Handeln.“

Während des Gottesdienstes für Frieden in der Gedächtniskirche seilten sich am Freitag zwei Aktivistinnen von einer Empore ab. Gemeinsam mit Mitstreitern auf der Empore wandten sie sich lautstark gegen Kriegseinsätze und die „Verstrickung der Kirche mit der Bundeswehr“. Zudem warfen sie Flugblätter ab.

Während Besucher der Veranstaltung den Störern mit christlichen Liedern begegneten, rückten Ordner des Kirchentages und Polizisten an, um die Aktion zu beenden. An der Außenfassade der Kirche brachte die Protestgruppe ein Anti-Kriegs-Plakat an.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich für mehr Bemühungen zur weltweiten Abrüstung aus. „Das, was die Friedensbewegung in den 70er und 80er Jahren erreicht hat, ist in Gefahr“, sagte er. Der Außenminister beklagte, vor allem die USA und Russland rüsteten derzeit massiv auf. Scharfe Kritik äußerte er auch an US-Präsident Donald Trump und dessen Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien.

Die Themen Islam, Friedensethik und der Umgang mit der AfD prägten am Freitag auch die „Kirchentage auf dem Weg“ in Mitteldeutschland. Der sächsische Bischof Carsten Rentzing sagte in Leipzig, es sei „eine Ungerechtigkeit, dass der Islam im Augenblick so in den Dreck gezogen wird“. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sprachen sich im Streit über den richtigen Umgang mit der rechtspopulistischen AfD für einen Dialog aus.

Der am Mittwoch eröffnete 36. Deutsche Evangelische Kirchentag findet in Berlin und Wittenberg statt. Parallel zu den zentralen Veranstaltungen werden in Mitteldeutschland sechs regionale „Kirchentage auf dem Weg“ gefeiert. (epd/dpa)