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G7-Gipfel Obama umarmt Atombombenopfer

US-Präsident erinnert im japanischen Hiroshima an seine Vision einer atomwaffenfreien Welt.

27.05.2016, 23:01

Hiroshima (dpa) l Vor 71 Jahren fiel Tod vom Himmel, und die Welt veränderte sich.“ Es sind bewegende Worte, mit denen Barack Obama seine fast 20-minütige Rede im Friedenspark von Hiroshima beginnt. Noch nie zuvor hat ein US-Präsident diesen Ort betreten. Es ist das Zentrum der apokalyptischen Zerstörungen, die die USA hier 1945 mit einer Atombombe angerichtet haben. All die vergangenen 71 Jahre haben die Überlebenden des nuklearen Infernos auf diesen Moment gewartet.

Nein, eine Entschuldigung spricht Obama in Hiroshima nicht aus, das hat auch niemand mehr erwartet. Auch verbeugt er sich nicht vor dem Mahnmal. Er hält inne vor dem schlichten Betonbogen, unter dem ein Register mit den Namen der Opfer in einem Sarkophag aufbewahrt wird, schließt für einen Moment die Augen. Der Sarkophag trägt eine Inschrift mit den Worten: „Ruhet in Frieden, denn wir werden die Fehler nicht wiederholen“. Es soll ein universeller Appell an die Menschheit sein. Genau in diesem Geist wählt auch Obama seine Worte.

Die Welt trage die Verantwortung, dass sich ein solches Leid nicht noch einmal ereigne. Die Staaten mit Atomwaffen müssten den Mut aufbringen, der „Logik der Furcht“ zu entkommen und eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Man müsse „Lehren aus Hiroshima“ ziehen, die Erinnerung dürfe niemals verblassen. Doch bewegender als seine Worte sind die wenigen Gesten: als Obama zu den hochbetagten Überlebenden tritt. Alte Menschen, die das unvorstellbare Grauen der Bombe miterlebten. So beeindruckend der Besuch Obamas ist: dass Hiroshima, diese Menschen ihn willkommen hießen, das verdient Respekt.

Das Bild, als Obama am Ende den 79 Jahre alten Shigeaki Mori sogar in den Arm nimmt, wird in Erinnerung bleiben. Mori war noch ein Schulkind, als die Amerikaner die Atombombe abwarfen.

Trotz seiner traumatischen Erlebnisse hat Mori wie kaum ein anderer sich um das Schicksal der bei dem Inferno auch ums Leben gekommenen amerikanischen Kriegsgefangenen gekümmert. Jahrzehntelang hat Mori dazu geforscht und Kontakt zu den Hinterbliebenen der getöteten Amerikaner gesucht.

„Die Welt wurde hier für immer verändert. Aber heute verbringen die Kinder dieser Stadt ihre Tage in Frieden“, sagte Obama, an seiner Seite Japans rechtskonservativer Premier Shinzo Abe. Diese Gesten vermitteln die Botschaft: Aus Feinden können Freunde werden. Japan ist heute der wichtigste Sicherheitspartner der USA in der Region.

Eine Botschaft, die auch an Japans Nachbarn gerichtet ist. China, das in der Region militärisch zunehmend selbstbewusster auftritt, wirft Japan immer wieder aufs Neue vor, sich mehr als Opfer denn als Täter im Zweiten Weltkrieg zu sehen. Gerade Abe wird beschuldigt, Japans aggressive Vergangenheit reinwaschen zu wollen. Obamas Geste in Hiroshima könnte man in China als Legitimierung von Japans Selbstwahrnehmung als Opfer verstehen – die Kluft würde zunehmen.

Die Linken in Japan werden von Obamas Besuch die Botschaft mitnehmen, dass der Pazifismus der Nachkriegszeit unbedingt beizubehalten sei. Diesen sehen sie seit dem Amtsantritt von Abe zunehmend in Gefahr. Abe will angesichts von Chinas Verhalten in der Region das Bündnis mit den USA stärken und die Rolle des eigenen Militärs ausweiten. Kritiker fürchten, dass auch Japan sich Atomwaffen anschaffen werde.