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Katarina Barley „Regierungskrise ist Krise der Union“

Die neue SPD-Generalsekretärin Katarina Barley muss sich in der Flüchtlingskrise bewähren. Mit ihr sprach Steffen Honig.

21.01.2016, 23:01

Volksstimme: Sie wurden beim Parteitag im Dezember mit 93 Prozent gewählt. Manche sagen, dies sei auch eine Belohnung dafür, dass Sie den undankbarsten Posten in der SPD übernommen haben. Welche ersten Erfahrungen haben Sie als Generalsekretärin gemacht?

Katarina Barley: Die Partei ist mir gegenüber sehr aufgeschlossen, ebenso die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses. Ich hatte nur drei Wochen Zeit, um die Vorstandklausur in Nauen vorzubereiten – das war schon eine Herausforderung. Aber es hat sehr gut geklappt.

Das alles überlagernde Thema ist die Flüchtlingsfrage.

Da möchte ich widersprechen – die Herausforderungen durch die vielen Flüchtlinge überlagern die öffentliche Wahrnehmung, aber nicht unsere Arbeit. Wir arbeiten auch an anderen Themen intensiv weiter.

Warum warnt Ihr Fraktionschef Thomas Oppermann dann vor einer Regierungskrise?

Es ist eine Krise innerhalb der Union. Vor allem die CSU schießt mit ständig neuen und illusorischen Forderungen gegen den Kurs der Kanzlerin. Bei den Menschen entsteht so der Eindruck, die ganze Regierung würde sich streiten. Das ist fatal.

Ist Kanzlerin Merkel noch in der Lage, diese Regierung zu führen?

Die CSU muss die angedrohte Verfassungsklage lassen und aufhören, Ultimaten zu stellen. Und die Kanzlerin muss endlich ihre Führungsrolle wahrnehmen. Dann kann Sie auch weiter regieren.

Sie glauben demnach, dass diese Koalition die Flüchtlingskrise meistern kann?

Ja, wenn die Union sich endlich einig wird. Es rächt sich jetzt, dass die Konflikte in der CDU auf dem Parteitag in Karlsruhe unter den Teppich gekehrt wurden. Das gab super Bilder, aber es wurde kein Problem gelöst.

Die Koalition hat sich im November auf das Asylpaket II geeinigt, beschlossen ist es bis heute nicht. Warum?

Das ist höchst ärgerlich. Der Innenminister hält sich nicht an die Absprache der drei Parteivorsitzenden. Es hakt am Familiennachzug und der finanziellen Beteiligung der Asylbewerber an den Sprachkursen. Vereinbart wurde, dass der Familiennachzug ausgesetzt wird – außer für Syrer, weil deren Leben akut bedroht ist. Minister de Maizière legt den entsprechenden Entwurf einfach nicht vor. Bei den Sprachkursen hat Herr Schäuble neue Zahlen ins Spiel gebracht – eine Eigenbeteiligung von 36 Euro statt 10 Euro pro Flüchtling. Das war anders verabredet. Ich bin aber optimistisch, dass wir uns in absehbarer Zeit einig werden.

Absehbar heißt?

Ich hoffe, dass wir das bis zur nächsten Kabinettssitzung Ende Januar schaffen.

CSU und Teile der Union wollen Obergrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme. Die SPD steht für Kontingente. Was unterscheidet diese von einer Obergrenze?

Obergrenze heißt, ich nehme – wie Herr Seehofer sagt – 200  000 Flüchtlinge und keinen mehr. Er sagt aber nicht, was beim 200  001. Flüchtling passiert. Die Konsequenz wäre nämlich die Abschottung der deutschen Grenze mit Zäunen und Stacheldraht. Kontingente hingegen bedeuten den Ersatz der unkontrollierten Zuwanderung durch eine kontrollierte. Das setzt aber eine effektive Sicherung der EU-Außengrenze voraus.

Die SPD steht vor drei schweren Landtagswahlen. In Sachsen-Anhalt ist die Partei offen für ein rot-rot-grünes Projekt, doch es scheint wieder auf eine Koalition mit der CDU hinauszulaufen. Oder glauben Sie, dass die AfD bis März noch einbricht?

In allen drei Landtagen hängt viel davon ab, ob die AfD reinkommt, und wenn ja, in welcher Stärke. Wir müssen den Leuten klarmachen, was man mit der AfD bekommen würde. Das Frauen- und Familienbild etwa scheint aus den fünfziger Jahren zu stammen. Diese Partei steht für eine andere Gesellschaft – aus Intoleranz, Hetze und Rassismus.

Für Baden-Württemberg wird auch über eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen spekuliert. Ziehen Sie ein Bündnis mit den Liberalen auch bundesweit in Betracht?

Das kommt darauf an, wie sich die FDP entwickelt – sie war in den siebziger und achtziger Jahren mal eine Bürgerrechtspartei. Wenn sie dahin wieder zurückkommen will, dann hat die Partei aber aus heutiger Sicht noch einen weiten Weg vor sich.