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Landtagswahl Sellering will’s wissen

In Mecklenburg-Vorpommern wird am Sonntag gewählt. Der SPD-Ministerpräsindet Sellering hofft, das Amt verteidigen zu können.

Von Steffen Honig 01.09.2016, 01:01

Magdeburg/Schwerin l Erwin Sellering lächelt im Norden von unzähligen Porträt-Pappen an den Straßenlaternen und vielen Großplakaten sein Volk an. Mecklenburg-Vorpommern, gängige Abkürzung MV, ist Sellering-Land. Der Sozialdemokrat, geboren 1949 in Sprockhövel (Nordrhein-Westfalen) regiert das nördlichste Ost-Bundesland seit 2008. Die sozialdemokratische Ära reicht zehn Jahre weiter zurück: 1998 übernahm Harald Ringstorff für die SPD die Regierungs- geschäfte von der CDU in einer Koalition mit der PDS, später Linkspartei.

Sellering führt sein Amt nach außen hin unauffällig und tritt bundespolitisch nur selten in Erscheinung. Er will erklärtermaßen gern weiterregieren, am liebsten wie gehabt mit der CDU als Juniorpartner in einer Großen Koalition. So war denn auch das kürzliche Fernsehduell zwischen Sellering und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier eine eher müde Veranstaltung. Wer miteinander regieren will, tut sich vorher schließlich nicht übermäßig weh.

Doch während die letzten Umfragewerte die SPD mit 28 Prozent sehen, hat die Union ein Problem: Sie ist mit 22 Prozent noch unter die 23 Prozent von 2011 gefallen, die den bisherigen Tiefpunkt seit der Wende markierten.

Innenminister Caffier versucht gegenzusteuern: Er führt den CDU-Wahlkampf unter dem Slogan „Heimat“ und präsentiert sich als Garant für Sicherheit und Ordnung. Er will mehr Stellen für Polizei und Justiz, abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben und die Burka verbieten.

Das Ergebnis für die CDU wird bis Berlin durchschlagen. Auch deshalb, weil Kanzlerin Angela Merkel in Mecklenburg-Vorpommern ihren Wahlkreis hat – genauer in Vorpommern-Rügen. Die Regierungschefin war in den vergangenen Wochen hier öfter unterwegs, gab etwa den Startschuss für den weiteren Ausbau der B 96 auf Rügen oder mischte sich in den Küstenorten unters Volk. Wobei ein Bad in der Menge seit August 2015, als ihr in Heidenau wegen ihrer Flüchtlingspolitik offener Hass entgegenschlug, für Angela Merkel kein Selbstläufer mehr ist. Doch die Menschen im Norden begegnen der Kanzlerin bei ihren Ausflügen an die Küste und ins Binnenland weithin mit Wohlwollen.

Für Caffier und seine Partei ist Rückenwind aus der Hauptstadt hilfreich. Die CDU will sich auf keinen Fall von der AfD überholen lassen, es wäre ein verheerendes Signal für die Gesamtpartei.

Das könnte aber passieren, denn die Rechtspopulisten können nach den jüngsten Umfragen mit 21 Prozent der Wählerstimmen rechnen.

Ziel war freilich, beim absehbaren erstmaligen Einzug in den Landtag auch gleich stärkste Partei zu werden. Die Forderungen der AFD reichen von der Unterstützung der Familien über schärfere Asylregeln bis hin zum Stopp des Neubaus von Windrädern – und dem Erhalt der plattdeutschen Sprache.

AfD-Spitzenkandidat ist Leif-Erik Holm, früher Radiomoderator beim Privatsender Antenne MV, der nicht scharfmacherisch auftritt, sondern eher als gemäßigt gilt. Allerdings hat Holm angekündigt, im Landtag auch mit der NPD stimmen zu wollen. Damit würde die AfD den sogenannten Schweriner Weg verlassen, nachdem alle Landtagsfraktionen konsequent gegen NPD-Anträge stimmen. Bundeschef Jörg Meuthen stößt in das gleiche Horn. Im „Mannheimer Morgen“ erklärte er: „Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie das bei den Linken der Fall wäre.“

Doch ausgerechnet durch den Aufstieg der AfD am rechten Rand ist äußerst fraglich, ob die NPD überhaupt ins Parlament kommt. Die Rechtsextremen, die gegenwärtig mit fünf Abgeordneten im Landtag vertreten sind, liegen nach Umfragen um die 3 Prozent. Ebenso wie übrigens die FDP, die es somit wiederum nicht ins Landesparlament schaffen dürfte.

Mit dem AfD-Aufschwung gehen deutliche Verluste für die Linke mit ewigen Spitzenmann Helmut Holter einher. Die bisher drittstärkste Partei, die bei den Wahlen 2011 auf ­­18,4 Prozent der Stimmen gekommen war, muss sich mit einem Umfragewert von 13 Prozent begnügen. Ein Indiz dafür, dass sich Protestwähler von den Linken in Richtung AfD verabschieden. Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht schlägt deshalb Alarm. „Natürlich müssen wir eine glaubwürdige Stimme des Protests sein, gerade wenn wir nicht wollen, dass die Menschen am Ende aus Verzweiflung AfD wählen“, sagte Sarah Wagenknecht gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Die Chancen auf das von den Linken angestrebte rot-rot-grüne Bündnis in Deutschlands Nordosten sind drastisch geschwunden. Für die Grünen könnte es sogar sehr knapp werden: Die Umfragewerte für die Partei liegen bei 6 Prozent, knapp über der entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde.

Sollte Erwin Sellering das Rennen machen, gibt es Zweifel, ob er die gesamte Legislaturperiode hindurch regieren würde. Der 66-Jährige bemüht sich, Spekulationen über ein vorfristiges Ausscheiden aus dem Amt zu zerstreuen.

Allerdings wird unter Beobachtern in Schwerin schon potenzielle Nachfolgerin gehandelt: Familienministerin Manuela Schwesig, ein politisches Ziehkind des Landesvaters.