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Medien-Debatte Populismus mit Fakten austrocknen

Geert Wilders will die Niederlande-Wahlen gewinnen. Wie die Presse mit Rechtspopulisten wie ihm umgehen sollte, wurde in Berlin debattiert.

Von Steffen Honig 23.02.2017, 00:01

Berlin l Bei Aktivisten und Anhängern der AfD gehört das Wort „Lügenpresse“ zum Grundvokabular. In den Niederlanden seien Zeitungs- und Fernsehleute eher als „linke Mafia“ verschrien, erklärt Dieuwke van Ooij von der Nachrichtensendung „Nieuwsuur“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in den Niederlanden. Die Richtung ist die gleiche: Die Medienschaffenden werden als Erfüllungsgehilfen von Regierung und etablierten Parteien diffamiert.

Das lässt die Redakteure von Zeitung, Radio und Fernsehen alles andere als kalt. Rolf-Dieter Krause, früherer ARD-Korrespondent bei der EU in Brüssel, verwahrt sich entschieden dagegen, je den Lügenpresse-Vorwurf erfüllt zu haben, und sagt auch über andere Berichterstatter: „Ich kenne keine Kollegen, die bewusst gelogen haben.“

Der Fernsehmann findet, man solle über die AfD „nicht anders als über andere Parteien berichten“. Es zähle die kritische Auseinandersetzung mit jeder Meinung. Schließlich gebe es – siehe Freihandelsabkommen Ceta – auch linken Populismus.

Bascha Mika, die aus dem linken Zeitungs-Spektrum kommt, vor Jahren Chefredakteurin bei der „Taz“ war und jetzt in der gleichen Funktion bei der „Frankfurter Rundschau“ wirkt, erklärt: „Wir berichten über die AfD, aber ohne über jedes Stöckchen zu springen.“

Damit sind zum Beispiel Veranstaltungen wie das europäische Partei-Treffen der patriotischen Front vor wenigen Wochen in Koblenz gemeint. Dieuwke van Ooij entrüstet sich: „Das war so absurd mit dem riesigen Sicherheitsaufgebot und dem Ausschluss der ARD von der Berichterstattung.“ Juurd Eijsvogel, der das niederländische Wirtschaftsblatt „NRC Handelsblad“ als Korrespondent in Deutschland vertritt, stellt fest: „Die Presse wird zum Feind gemacht.“

Bei der Gegenwehr ist sich die Runde einig. Es helfe nur, meint van Ooij, „alles mit Fakten zu bestreiten“. Als „schreckliche Vokabel“ bezeichnet Krause die aus Trumps Amerika importierte „postfaktisch“. Das werde vorübergehen, denn: „Das Leben ist faktisch, nicht postfaktisch.“

Auch Unterschiede werden deutlich. Juurd Eijsvogel bemängelt, dass in der deutschen Presse oft kommentiert werde, was zuwenig faktisch unterlegt sei. Dieuwke van Ooij beschreibt die Arbeitsweise bei den holländischen Fernsehnachrichten: „Das oberste Gebot ist Neutralität. Alle Parteien werden gleich behandelt. Kommentare sind bei uns verboten.“ Bascha Mika findet dies unanbracht. „Neutralen Journalismus gibt es nicht“, ist ihre Überzeugung.

Sie meint aber, dass die Medienmacher zu wenig sprachsensibel seien. Wenn die „Frankfurter Rundschau“ den Begriff „völkisch“ ironisiert aufgreife, verstünden das längst nicht alle Leser.

Verschieden sind die Ansichten der Medienvertreter aus beiden Ländern auch zur Berichterstattung über die Pegida-Demonstrationen in Dresden und deren Auswirkungen. Die deutsche Seite findet, dass Pegida ausreichend medial beleuchtet wurde. Das genau glauben die Holländer, deren Landsmann Wilders auch in Dresden aufgetreten ist, überhaupt nicht.

Der deutsche Fernseh-Veteran Krause legt schließlich Wert auf die Feststellung, in Kommentaren für die „Tagesthemen“ stets nur seine persönliche Meinung gesagt zu haben. Darauf entgegnet die holländische Fernseh-Kollegin van Ooij sarkastisch: „Wenn ich das täte, würde ich sofort gekündigt.“