Niederlande-Wahl Ein Signal für Europa

Kees de Vries (CDU) ist Bundestagsabgeordneter und stammt aus Holland. Er ist froh, dass Geert Wilders in die Schranken gewiesen wurde.

Von Steffen Honig 17.03.2017, 00:01

Volksstimme: Regierungschef Mark Rutte ganz klar vor dem Islamfeind Geert Wilders – wie sehr überrascht Sie dieses Ergebnis?

Kees de Vries: Ich habe das gehofft, obwohl der Trend zunächst in Richtung der Rechtspopulisten ging. Das hat sich deutlich relativiert. So überrascht mich das Ergebnis eigentlich nicht. Wenn es wirklich wichtig wird, dann ist der Wähler immer noch eine Bank.

Sie haben den Wahlabend in der niederländischen Botschaft in Berlin erlebt. Wie war dort die Stimmung?

Es herrschte ziemliche Erleichterung, weil man doch ein bisschen Angst hatte, dass das passiert, was immer wieder prophezeit wurde – der Sieg von Geert Wilders. Das ist nicht eingetreten. Insgesamt hat die Regierungskoalition aber die Hälfte der Sitze verloren, wobei die Sozialdemokraten deutlich mehr verloren haben. Das heißt die Holländer waren mit ihrer Regierung nicht zufrieden und haben trotzdem Wilders nicht als Alternative gesehen. Die Niederlande sind ein Signal für Europa. Das sollte jeder wahrnehmen.

Wilders ist so etwas wie ein Pate für die Rechtspopulisten in Deutschland – siehe die Auftritte bei Pegida-Kundgebungen in Dresden. Welche Wirkung erwarten Sie hier?

Ich habe da keine Riesenangst. Die deutsche AfD ist nicht mit der Radikalität von Wilders zu vergleichen und ist gerade extrem mit sich selbst beschäftigt. Ich bin mir sicher, dass die Deutschen verstehen, dass Europa zu wichtig ist, um an die einfachen Antworten der Rechtspopulisten glauben zu können.

Warum haben die Sozialdemokraten besonders stark verloren?

Die Sozialdemokraten (PdA) sind regelrecht zusammengebrochen. Die PdA hat durch innere Streitigkeiten viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren. Das rächt sich dann bei der Parlamentswahl. Sie werden aber wieder zurückfinden, denke ich. Generell geht der Trend in Holland zu immer mehr Zersplitterung. Es gibt allerdings mehrere Parteien, die die gleichen Prinzipien haben. Es sind nur verschiedene Säulen, etwa christlich oder sozial. Viele Stimmen sind von den Sozialdemokraten zur grün-linken Partei GroenLinks gegangen, also von links nach links. Denn die Grünen stehen in den Niederlanden viel weiter links als in Deutschland.

In Amsterdam ist GroenLinks sogar die stärkste Partei geworden.

Ihr Vorsitzender Jesse Klaver ist offenbar eine starke Persönlichkeit. Wir haben auch in Deutschland erlebt, dass die Grünen unter Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg überraschend stärkste Partei in Baden wurden. Ich glaube vielmehr, dass sich enttäuschte linke Wähler Alternativen gesucht haben.

Glauben Sie, dass die in Holland fehlende Fünf-Prozent-Hürde inzwischen ein Hindernis für politische Stabilität darstellt?

Holland braucht keine Fünf-Prozent-Hürde. Dass es diese in Deutschland gibt, hat historische Gründe. Wenn man sich die Entwicklung über die Jahre anschaut, so ist die niederländische Politik nicht weniger stabil als die deutsche. Ich denke, es besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen. Die Holländer kommen ganz gut damit klar.

Höchstwahrscheinlich wird der bisherige Premierminister Mark Rutte auch der neue sein. Mit wem zusammen könnte er regieren?

Wenn ich mir das Ergebnis anschaue, bietet sich an, dass er mit der christdemokratischen CDA zusammengehen wird. Das reicht aber nicht, wer wird wohl die liberale D66 und seinen bisherigen Partner PdA dazunehmen.

Welche Rolle hat der Konflikt mit der Türkei für die Wahlen gespielt und wie wird es im Verhältnis zwischen Niederlanden und Türkei weitergehen?

Der türkische Präsident Erdogan hat Rutte in eine Zwangsposition gebracht. Der niederländische Ministerpräsident konnte nicht anders rea- gieren, als er dies getan hat. Am Ende hat es Rutte nicht geschadet. Jetzt sollen sogar holländische Kühe ausgewiesen werden. Ich habe das Gefühl, das endet in der gleichen Lächerlichkeit, wie wir das bei US-Präsident Trump erleben. Ich kann nur hoffen, dass Europa zu- sammenhält, was sich andeutet. Erdogan sollte Europa zusammenschweißen. Das kann die einzige Lösung sein.