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Parlamentswahlen Enges Rennen zwischen May und Corbyn

Vor den Wahlen am 8. Juni in Großbritannien schrumpft der Umfragen-Vorsprung von Premierministerin May.

02.06.2017, 23:01

London (dpa) l An dem klebrigen Lebensmittel „Marmite“ scheiden sich in Großbritannien die Geister. „Liebe oder hasse es“, lautet ein Werbespruch für die extrem würzige Hefe-Paste. Wenige Tage vor der britischen Parlamentswahl taucht nun eine neue Bezeichnung für die Premierministerin auf: „Marmite May“.

Theresa May löse starke unterschiedliche Gefühle aus, sagte Jeniffer Hudson vom University College London. Eben wie „Marmite“. Mays Unterstützer setzen besonders viel Vertrauen und Hoffnung in die Konservative – aber wer kein Fan von ihr sei, der reagiere oft mit Wut. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, polarisiere dagegen nicht so stark, sagte die Wissenschaftlerin.

May sitzt relativ fest im Sattel. Dass sie trotzdem am 8. Juni ein neues Parlament wählen lassen will, begründet sie mit der Uneinigkeit beim geplanten Brexit: „Das Land kommt zusammen, aber Westminster tut dies nicht.“ Doch das stimmt so nicht. Denn viele Briten wollen in der Europäischen Union bleiben und die Opposition unterstützt weitgehend Mays Pläne zur EU-Scheidung.

Was sind also die wahren Gründe? Zum einen will May ihre knappe Regierungsmehrheit ausbauen und so mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen bekommen. Schließlich hat nicht sie die letzte Wahl gewonnen, sondern David Cameron. Nach dem Brexit-Referendum ging sie aus einem unschönen Machtkampf als seine Nachfolgerin hervor. Und wer weiß, was bei einer regulären Wahl 2020 wäre? Die Wirtschaft könnte nach dem Brexit straucheln, die Stimmung im Land gekippt sein. Ein größeres Risiko bleibt: Großbritannien hat ein reines Mehrheitswahlrecht. Nur wer in einem der 650 Wahlkreise mehr Stimmen auf sich vereint als jeder der Mitbewerber, erhält einen Sitz im Parlament. „Selbst ein erheblicher Vorsprung in den Umfragen bedeutet nicht unbedingt eine große Mehrheit im Unterhaus“, warnte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow.

Dennoch war May siegesgewiss, als sie die Neuwahl ankündigte. Die Konservativen lagen damals in Umfragen zeitweise über 20 Prozentpunkte vor Labour. Die Wahl schien schon entschieden. Doch es kam ganz anders. Die Parteien näherten sich in den Umfragen immer mehr einander an – bis auf fünf Prozentpunkte. Was war passiert?

Der Alt-Linke Corbyn, der als geradlinig und ehrlich gilt, konnte mit seinen Versprechen an Boden gewinnen: höhere Steuern für die Reichen, das marode Gesundheitssystem auf Vordermann bringen, Energieunternehmen verstaatlichen, mehr Sozialwohnungen. Corbyn hat in seiner Partei aber nicht nur Fans. Und das Amt eines Premiers trauen viele Corbyn einfach nicht zu. Richtig warm werden viele Briten auch mit May nicht. Das Rennen könnte eng werden.