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Polen-Konflikt Das neue alte Feindbild

Der Nachbar ärgert sich über Kritik an seiner Politik. Merkel wird mit Hitler vergleichen.

11.01.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Das polnische Nachrichtenmagazin „Wprost“ hat Angela Merkel auf dem Titel. Oder zumindest den Kopf der Kanzlerin. Denn alles unterhalb der Halskante lässt sich ziemlich eindeutig Adolf Hitler zuordnen: die Uniform, die Feldherrnpose, die Karte des Generalstabs auf dem Tisch. Und auch die vier Herren um Merkel herum haben zwar die Gesichter von heutigen EU-Politikern, aber die Körper von Wehrmachts-Generälen. Schlagzeile dazu: „Sie wollen Polen wieder kontrollieren.“

Es ist eine Fotomontage, die Erinnerungen weckt. An die Nazi-Zeit natürlich, unter der Polen besonders schlimm zu leiden hatte. Aber irgendwie auch an die zweite Hälfte des vergangenen Jahrzehnts, als die Brüder Lech und Jaroslaw Kaczynski in Polen die Politik bestimmten und Nazi-Vergleiche von deutschen Politikern schon einmal populär waren: Merkel bekam dort im Jahr 2007 Hitler-Bärtchen verpasst.

Heute wird das alte Feindbild wieder gepflegt. Nach dem Wahlsieg von Jaroslaw Kaczynskis nationalkonservativer Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) – dessen Bruder Lech kam 2010 als Präsident bei einem Flugzeugabsturz ums Leben – im November ist das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin wieder angespannt.

Die neue Regierung im Nachbarland ist über die Kritik von deutschen Politikern an ihrem Kurs – insbesondere an Neubesetzung des Verfassungsgerichts und neuem Mediengesetz – schwer verärgert.

Wegen „antipolnischer Äußerungen deutscher Politiker“ wurde Deutschlands Botschafter Rolf Nikel am Montag sogar zum Gespräch ins Außenministerium gebeten. Für Empörung sorgte insbesondere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der mit Blick auf Polen am Wochenende von einer „gelenkten Demokratie nach Putins Art“ gesprochen hatte. Aber auch die Kritik des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger (CDU) am Mediengesetz kam schlecht an.

Nach dem Termin waren beide Seiten allerdings bemüht, den Schaden zu begrenzen. Polens Außenminister Witold Waszczykowski versicherte: „Die deutsch-polnischen Beziehungen sind nicht angespannt. Also muss man sie auch nicht besänftigen.“ Zugleich riet er Deutschlands Politikern aber auch, wieder häufiger nach Warschau zu kommen. Dann würden sie sehen, „dass der Stand der Demokratie in Polen nicht so schlecht ist, wie es aus der Ferne erscheint“.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ließ ankündigen, in „sehr naher Zukunft“ nach Warschau zu reisen. Der SPD-Mann hatte schon Ende 2015 empfohlen: „Wir sind sehr gut beraten, wenn wir gerade jetzt mit unseren politischen Nachbarn sprechen und nicht über sie.“

Auf den Antrittsbesuch von Ministerpräsidentin Beata Szydlo wartet man dort noch immer. Normalerweise ist dies nach einem Regierungswechsel zwischen so engen Partnern eine Sache der allerersten Tage. Nun wird es vermutlich Mitte Februar so weit sein.

Die Grundstimmung gegenüber Deutschland ist in Warschau immer noch arg gereizt – auch wenn sich die Bundesregierung im Vergleich zur EU mit Kritik bislang zurückhält. Trotzdem sagte Verteidigungsminister Antoni Macierewicz: „Polen wird sich nicht von Deutschland über Freiheit und Demokratie belehren lassen.“ Justizminister Zbigniew Ziobro meinte zu Oettingers Drohung, Polen unter EU-Aufsicht zu stellen: „Solche Worte von einem deutschen Politiker wecken bei Polen die schlimmsten Assoziationen.“