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Randale in Hamburg Ratlosigkeit nach dem G-20-Gipfel-Knall

Alle hatten erwartet, dass es heftig zugeht beim G-20-Gipfel in Hamburg. Nun hat es geknallt - und zwar heftig. Es herrscht Ratlosigkeit.

10.07.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Nach dem verheerenden G-20-Gipfel-Wochenende laufen auf den Straßen Hamburgs noch Aufräumarbeiten. In den Schaltstellen von Polizei und Regierung werden derweil die politischen Scherben zusammengekehrt. Große Ratlosigkeit geht um, wie es zu einem solchen Desaster kommen konnte. Und welche Lehren daraus zu ziehen sind.

Wer sind die Täter der Hamburger Krawallnächte?

Darüber ist noch relativ wenig bekannt. Klar ist, dass einige Randalierer aus dem Ausland kamen. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reiste eine Gruppe von Leuten in „mittlerer dreistelliger Größenordnung“ aus anderen EU-Staaten zu den Anti-G-20-Protesten ein, vor allem aus Nord- und Südeuropa. Aber auch aus allen Teilen der Republik kamen Anhänger der linken Szene nach Hamburg. Die Suche nach den Tätern läuft noch und gestaltet sich nicht ganz einfach. Steinewerfer und andere wechselten zum Beispiel kurz nach der Tat die Kleidung. De Maizière sagt, vieles sei „wohl organisiert“, „vorbereitet und orchestriert“ gewesen.Bislang wurden laut Hamburger Polizei 186 Menschen festgenommen – 132 davon Deutsche. Der Rest: 8 Franzosen, 7 Italiener, 2 Spanier und weitere Nationalitäten. 225 Menschen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, 158 davon Deutsche, der Rest Ausländer, darunter 20 Italiener, 17 Franzosen und 3 Spanier. Die sind aber alle wieder frei, ebenso die meisten Festgenommenen.

Gab es Verhaftungen?

Nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft sitzen 51 Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe lauteten unter anderem auf schweren Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung. Einem 27-jährigen Deutschen werde versuchter Mord vorgeworfen. Er soll mit einem Lasergerät den Piloten eines Polizeihubschraubers gezielt geblendet haben. Dabei soll er sogar den möglichen Absturz des Helikopters in Kauf genommen haben. Bei den Beschuldigten handele es sich überwiegend um Männer unter 30 Jahren. Neben zahlreichen Deutschen säßen auch Staatsbürger aus Frankreich, Italien, Spanien, Russland, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich in Haft. Die Staatsanwaltschaft habe 85 Haftbefehle beantragt. In den Fällen, in denen keine Haft angeordnet worden sei, prüfe die Behörde die Einlegung von Rechtsmitteln, hieß es.

Wie konnten überhaupt Krawallmacher aus dem Ausland einreisen?

Es gab Grenzkontrollen. Mehrere hundert Menschen wurden laut de Maizière an der Einreise gehindert. Zum Teil habe aber die Rechtsgrundlage gefehlt, um Verdächtige abzuweisen. „Die Betroffenen sind ohne ihre Ausrüstung gereist.“ Durchsuchungen seien so mitunter ins Leere gelaufen. Sie hätten zum Beispiel Zwillen und anderes „Material“ nicht bei sich geführt, sondern vorher auf „klandestinen“ Wegen eingeschleust – und das zum Teil wohl lange vor dem Start der Grenzkontrollen.

Hätten die Krawalle verhindert werden können?

Die Ausschreitungen kamen keineswegs überraschend. Gipfel dieser Art sind seit jeher Schauplatz heftiger Proteste. In einer Großstadt wie Hamburg sind sie ungleich schwieriger zu kontrollieren als an entlegenen Orten – noch dazu in direkter Nachbarschaft zu einer der Hochburgen der linken Szene in Deutschland. Polizei und Geheimdienste hatten sich von vorneherein auf mächtige Ausschreitungen eingestellt. Dass die Täter in kleinen Gruppen für große Polizeieinheiten schwer zu greifen sind, ist nicht neu. Und dass es gerade im Schanzenviertel knallen könnte, war ebenso abzusehen. Es stellt sich deshalb die Frage, warum Randalierer dort trotzdem über Stunden fast ungestört wüten konnten, bis die Polizei vorrückte. Kritiker werfen den Sicherheitsbehörden Totalversagen vor. Sie meinen auch, Hamburg hätte nie Gipfelort werden dürfen. De Maizière beschwert sich über nachträgliche „Besserwisserei“ und verteidigt die Ortswahl.

Wäre das Chaos ausgeblieben mit mehr Polizisten?

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter meint Nein. Es sei mit mehr als 20.000 Polizisten schon nicht gelungen, die Stadt vor 1500 linken Kriminellen zu schützen, sagt Verbandschef André Schulz. „Was wäre eigentlich passiert, wenn tatsächlich die prognostizierten 8000 linken Gewalttäter nach Hamburg gekommen wären und es an verschiedenen Orten der Stadt gleichzeitig zu Ausschreitungen gekommen wäre? Man mag es sich nicht ausmalen.“ Es stellt sich die Frage, ob und wie viel mehr Polizisten verfügbar gewesen wären – und welche Reaktionen es vorab gegeben hätte bei der Botschaft, dass 30.000 oder 40.000 Polizisten den G-20-Gipfel schützen.