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Referendum Türkei Kanzleramt droht mit Einreiseverbot

Türkei-Präsident Erdogan bezeichnet Deutschland als Hort von Terrorismus und Faschismus. Nun hält Kanzerleramtschef Altmaier dagegen.

15.03.2017, 15:00

Istanbul/Berlin (dpa) l Angesichts aggressiver und abschätziger Attacken der türkischen Führung in Richtung Deutschland droht die Bundesregierung nun offen mit einem Einreiseverbot für türkische Spitzenpolitiker. Deutschland habe völkerrechtlich die Befugnis, die Einreise ausländischer Regierungsmitglieder zu unterbinden, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) der Funke-Mediengruppe. "Ein Einreiseverbot wäre das letzte Mittel. Das behalten wir uns vor." Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich am Mittwoch unbeeindruckt und schimpfte in Richtung EU: "Der Geist des Faschismus geht um in den Straßen Europas."

Die Türkei empört sich darüber, dass in den Niederlanden und auch in Deutschland mehrere Wahlkampfauftritte türkischer Politiker untersagt worden sind. Am 16. April stimmen die Türken in einer Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem ab, das Erdogan mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen würde. In Deutschland und in den Niederlanden leben Millionen wahlberechtigte Türken.

Erdogan hielt den Europäern vor, gegen das Präsidialsystem zu "mobilisieren". Zudem wiederholte er den Vorwurf an die Niederlande, beim Srebrenica-Massaker in Bosnien-Herzegowina mehr als 8000 bosnische Muslime ermordet zu haben. Die Niederlande hätten "nichts mit Zivilisation zu tun", sagte er vor Anhängern.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte den Massaker-Vorwurf schon als Geschichtsverfälschung zurückgewiesen. Tatsächlich hatten das Massaker in Srebrenica im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen verübt. Niederländische UN-Soldaten hatten den Angreifern die Stadt zuvor allerdings kampflos überlassen.

EU-Ratschef Donald Tusk wies die Nazi-Vergleiche zurück. "Wer Faschismus in Rotterdam sieht, der ist völlig losgelöst von der Realität", sagte er im Straßburger EU-Parlament. "Wir werden alle Solidarität mit den Niederlanden zeigen."

Regierungsnahe Zeitungen in der Türkei griffen die Niederlande ebenfalls scharf an. Die Zeitung "Günes" bildete am Mittwoch – dem Tag der Parlamentswahl in den Niederlanden – auf der Titelseite eine niederländische Flagge mit einem Hakenkreuz ab. Daneben steht: "Ihr seid Mörder."

Deutschland hatte der türkische Präsident zuletzt ebenfalls "Nazi-Praktiken" und eine Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Altmaier sagte dazu: "Wir verwahren uns entschieden gegen Nazi-Vergleiche und groteske Vorwürfe." Die Türkei lege immer großen Wert darauf, dass ihre Ehre nicht verletzt werde. "Auch Deutschland hat eine Ehre!", sagte er. Die Bundesrepublik sei seit ihrer Gründung ein weltweit anerkannter, vorbildlicher Rechtsstaat.

FDP-Chef Lindner forderte, die Bundesregierung müsse Auftritte "türkischer Offizieller" und deren Einreise bis zum Abschluss des Referendums Mitte April unterbinden. Im Radiosender WDR2 sagte er, Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sei dazu befugt und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne ihn dazu anweisen.

Die Bundesregierung genehmigte unterdessen die Abstimmung hierzulande über die Verfassungsreform. Im Bundesgebiet werden dazu 13 Wahllokale für die rund 1,4 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland eingerichtet. In Deutschland soll die Abstimmung schon vom 27. März bis zum 9. April stattfinden.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz plädierte für eine klare Ansage an Erdogan. "Es ist nicht Aufgabe einer Regierung, den Wahlkampf ins Ausland zu tragen und es ist nicht Aufgabe des türkischen Staatspräsidenten, Wahlkampf für die AKP in Deutschland zu machen", sagte er im Saarländischen Rundfunk.

Gabriel forderte die türkische Regierung erneut auf, der deutschen Botschaft die Betreuung des in Istanbul inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel zu ermöglichen. Der Minister habe am Dienstag Kontakt mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu in dieser Angelegenheit gehabt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Cavusoglu habe zugesagt, "sich der Sache anzunehmen". Yücel wird Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Volksverhetzung vorgeworfen.