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Serbien Regierungschef will Super-Politiker werden

Dass er die Wahl zum serbischen Staatsoberhaupt gewinnt, ist klar. Regierungschef Vucic will sich aber zum Super-Politiker aufschwingen.

Von Thomas Brey 27.03.2017, 23:01

Belgrad (dpa) l Mit der Präsidentenwahl am Sonntag greift Regierungschef Aleksandar Vucic in Serbien nach den politischen Sternen. Schon jetzt ist er der alles bestimmende Politiker in diesem Balkanland. Er führt die mit Abstand wichtigste Regierungspartei SNS, kann im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit bauen, koordiniert die Geheimdienste und behandelt seine Minister nicht selten selbst in aller Öffentlichkeit wie Schulkinder.

Auch alle wichtigen Medien sind entweder im Regierungsbesitz oder ihrem Vormann Vucic mehr als zu Diensten: Tagtäglich nutzt der diese Dominanz zu wahren Heimspielen in Sachen Selbstvermarktung und Abkanzelung seiner Gegner.

Und doch will er gerade mal sieben Monate nach seinem neuen Antritt als Regierungschef auf den vor allem repräsentativen Sessel des Staatsoberhauptes wechseln. Freund und Feind sind sich sicher, dass der 47-Jährige, der schon fast ein Vierteljahrhundert politisch mitmischt, die Wahl klar gewinnen wird. Auch besteht Einigung darin, dass er einen ihm absolut ergebenen Gefolgsmann als Quasi-Regierungschef einsetzen wird. Dieses Modell, bei dem die tatsächliche politische Macht trotz aller Verfassungsvorschriften ins Amt des Staatspräsidenten wandert, hatte schon sein Vorvorgänger Boris Tadic vorexerziert.

Seit fünf Jahren ist Vucic das Maß aller Dinge. Er beherrscht die Innenpolitik nach Belieben. Die Opposition hat er auf ein Zwergenmaß gestutzt. Sie ist zudem heillos zerstritten und tritt mit nicht weniger als zehn Kandidaten an. Der wichtigste von ihnen ist Vojislav Seselj, ausgewiesener Nationalist und politischer Ziehvater von Vucic. Die echten politischen Alternativen werden damit noch einmal kleiner.

Vucic‘ Anhänger und Minister loben, dass in Zukunft alle politische Macht noch mehr als schon bisher aus einer Hand kommt. Das von wirtschaftlicher und sozialer Misere gebeutelte kleine Land benötige eine starke Hand, um es zur Modernisierung zu zwingen. Seine oppositionellen Kritiker sprechen von Autokratie und sogar von Diktatur, weil Vucic mit seiner persönlichen Macht alle staatlichen Institutionen aushebele. Dafür werden einige bedenkliche Schachzüge des Spitzenpolitikers angeführt.

Das Parlament ließ Vucic in Zwangsurlaub schicken, um der Opposition keine Plattform zu bieten. Die Wahl wurde mit nur einem Monat Vorlauf angesetzt, so dass die Oppositionskandidaten erst noch viele Tage benötigten, um die zur Kandidatur notwendigen 10 000 Unterschriften zu sammeln. Die staatliche Wahlkommission wird mit 12 von 17 Mitgliedern von der Regierung beherrscht.

Die Medienaufsicht REM hat sich selbst aus dem Rennen genommen. Dabei finden statt der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen gleichen Präsenz aller Kandidaten in Zeitungen und Fernsehen wahre Vucic-Festspiele statt.

Durch den Zwangsurlaub des Parlaments gibt es auch kein Gremium zur Wahlaufsicht in diesem Rahmen. Der größte Vorwurf seiner Kritiker lautet aber: Als Regierungschef setze er gesetzeswidrig die geballten Mittel des Staates für seinen Wahlkampf ein.

Dabei hatte Aleksandar Vucic zu Beginn versprochen, dass er nur nach Feierabend als Ministerpräsident wahlkämpfen werde und vielleicht dafür auch den einen oder anderen Tag Urlaub opfern werde.