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Wahl Berlin könnte Rot-Grün-Rot bekommen

Die Hauptstadt wählt am Sonntag ein neues Landesparlament. Nach der SPD liegen vier Parteien fast gleichauf.

16.09.2016, 23:01

Berlin (dpa) l So viel scheint klar vor der Berliner Wahl: Die alte Regierung aus SPD und CDU wird wohl nicht weitermachen. Stattdessen könnte nach dem 18. September ein Bündnis regieren, das es in Deutschland so noch nicht gab: eine rot-grün-rote Koalition unter Führung der SPD. Und ihnen gegenüber eine durchweg konservative Opposition aus CDU, AfD und FDP.

Das linke Dreierbündnis – Ruf: schwer regierbar – wünscht sich vor der Wahl keine Partei so recht. Außer vielleicht der Linken, die sich schon im Frühjahr in Thüringen über R2G, die dortige Version von Rot-Rot-Grün informierten. Doch anders als in Thüringen, wo die Linke den Ministerpräsidenten stellt, dürfte in Berlin mit der SPD keine Regierung auf Augenhöhe machbar sein. Zu sehr hat Regierungschef Michael Müller (SPD) zuletzt durchblicken lassen, dass sich die kleineren Partner unterzuordnen hätten. Rot-Grün-Rot – es wäre für ihn das kleinste Übel.

Denn die SPD, die die Hauptstadt mit einer Unterbrechung seit fast 60 Jahren mitregiert, schwächelt gewaltig. Ihren in Berlin seit Jahren deutlichen Vorsprung hat sie verspielt. Wenige Tage vor der Wahl des Abgeordnetenhauses sehen Umfragen die Sozialdemokraten bei 21 bis 24 Prozent. Die Verfolger liegen eng beisammen: die CDU bei 17 bis 19, die Grünen bei 15 bis 19, die Linken bei 14 bis 17 Prozent.

Die Piraten sind wohl raus, die FDP muss zittern. Vor allem aber ist da die Alternative für Deutschland (AfD), die je nach Umfrageinstitut auch in der bisher eher linken Hauptstadt 10 bis 15 Prozent erreicht.

Für eine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition reicht es den Umfragen zufolge nicht. Das scheint vielen in der Berliner Landespolitik auch nur recht zu sein. Einzig die CDU wünscht es sich - unrealistischerweise, denn Müller hat eine Zusammenarbeit mit der Union und deren Spitzenkandidat Frank Henkel bereits ausgeschlossen. Wie im Übrigen alle anderen Parteien außer der FDP auch. Die Folge: Müller wird auch nach der Wahl fest im Chefsessel des Roten Rathauses sitzen – oder zumindest, je nach Wahlausgang, ein anderer SPD-Politiker.

Angst macht wieder einmal die AfD. Die könnte in Berlin nicht nur, wie bereits in neun anderen Ländern, ins Landesparlament einziehen. Sie könnte in den Bezirken mit Stadträten sogar Gestaltungs- und Finanzmacht bekommen.

Vor einem Abwandern der Wähler von den großen Volksparteien in Richtung Rechts fürchten sich Müller und Henkel gleichermaßen. Doch Berlin ist nicht Schwerin – mit dieser fast beschwörend wiederholten Formel spricht man sich in der Hauptstadt Mut zu.

Fast unisono betonen Vertreter von SPD, CDU, Grünen und Linken, die Berliner seien liberaler und weltoffener. Deshalb seien sie weniger anfällig für die ausländer- und flüchtlingsfeindlichen Sprüche der AfD, die im März in Sachsen-Anhalt ein Viertel und vor zwei Wochen im Nordosten ein Fünftel der Wähler für sich gewann.

Das bestätigt der Parteienforscher Oskar Niedermayer. „Man kann das Wahlergebnis von Mecklenburg-Vorpommern nicht 1:1 auf Berlin übertragen. Hier gibt es eine ganz andere Wählerstruktur mit einem eindeutig grünen Milieu, was die Grünen wieder sehr stark machen wird“, sagt der Politologe der Freien Universität Berlin. Die AfD sei hier schwächer als in Mecklenburg-Vorpommern. „Die CDU muss sich nicht fürchten, hier von der AfD überflügelt zu werden.“

Allerdings seien die Wähler in Berlin auch immer volatiler und entschieden sich später als in anderen Ländern. Müller jedenfalls, der sein Amt mitten in der Wahlperiode vom zurückgetretenen Klaus Wowereit erbte und sich nun erstmals zur Wahl stellt, schöpft aus dem Schweriner Ergebnis eher Hoffnung. Das Abschneiden seines Amtskollegen Erwin Sellering zeige: „Die Menschen vertrauen in diesen Zeiten dem Amtsinhaber.“ Dabei lässt Müller unerwähnt, dass Sellering als Ministerpräsident viel populärer ist als er selbst.

Infografik: CDU muss auch in Berlin mit Verlusten rechnen | Statista
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