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Wikileaks-Gründer Ermittlungen gegen Assange eingestellt

Der Haftbefehl wegen Vergewaltigung gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange wurde von der schwedischen Justiz eingestellt.

19.05.2017, 10:56

Stockholm (dpa) l Alle warten auf Julian Assange. Dann kommt er auf den Balkon. In Lederjacke reckt er der Weltpresse rebellisch die Faust entgegen. Heute sei ein "wichtiger Sieg", sagt der Wikileaks-Gründer am Freitagabend. Die fünf Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London, sieben Jahre "Arrest" ohne Anklage: Das könne er nicht vergeben und nicht vergessen. Und: "Der richtige Krieg fängt gerade erst an." Er ist weiter im Fadenkreuz der britischen Fahnder und fürchtet eine Auslieferung an die USA.

Jahrelang hatten sich schwedische Staatsanwälte ein juristisches Tauziehen mit Assanges Anwälten geliefert. In Schweden soll der Australier 2010 eine Frau vergewaltigt haben. Weitere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Assange sind bereits verjährt. Der beteuerte seine Unschuld und versuchte immer wieder, eine Aufhebung des Haftbefehls zu erreichen. Jetzt ist es soweit – die Ermittlungen in Schweden sind gestoppt.

Am Tag der Breaking News guckt erstmal nur die Botschaftskatze, die einen mit Herzen verzierten Schlips trägt, aus dem Fenster. Die Bürgersteige sind voller Journalisten, die Polizei ist da, direkt nebenan liegt das Kaufhaus Harrods. Im Juni 2012 hat sich Assange in die Botschaft geflüchtet. Setzt er einen Fuß vor die Tür, wird ihn Scotland Yard festnehmen.

Es geht am Freitag Schlag auf Schlag: Die schwedischen Behörden verkünden, die Ermittlungen gegen den 45-Jährigen seien beendet. Der Verdacht gegen ihn sei zwar nicht aus der Welt, macht Anklägerin Marianne Ny klar. Doch ohne, dass Assange sich in Schweden einem Prozess stellt, treten die Staatsanwälte in dem Fall auf der Stelle: "Wir sehen keine Möglichkeiten, die Ermittlungen weiter voranzutreiben."

"Ernsthaft? Oh mein Gott", freut sich Assange nach Angaben seines Anwalts. Dazu twittert er ein Bild von sich, auf dem er in die Kamera strahlt. Später zürnt Assange, er sei festgehalten worden, "während meine Kinder großgeworden sind und mein Name verleumdet wurde".

Die Londoner Polizei stellt klar: Assange wird immer noch gesucht – aber wegen eines "viel weniger schweren" Vergehens. Damit dürfte ein Verstoß gegen die Auflagen gemeint sein, die der Australier 2012 befolgen sollte. Damals war er auf Kaution frei.

Zuletzt gab es Spekulationen darüber, dass die US-Behörden wegen der Enthüllungen seiner Plattform Wikileaks eine Anklage gegen ihn vorbereiten könnten. Sie machen ihn dafür verantwortlich, dass brisante Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak an die Öffentlichkeit gelangten. Auf seinem Twitter-Account nennt sich Assange "Flüchtling". Bei der Balkon-Rede dankt er seinem Gastland Ecuador.

Assange ist umstritten. Die einen halten ihn für einen Aufklärer und Robin Hood der Internetwelt, die anderen für einen Selbstdarsteller, der mit Wikileaks sogar das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt hat.

Als politischer Aktivist ist er längst Zeitgeschichte und Teil der Popkultur. Benedict Cumberbatch hat ihn in einem Film gespielt. Lady Gaga hat ihn interviewt, auch der US-Bürgerrechtler Jesse Jackson und der Filmemacher Michael Moore besuchten ihn. Vivienne Westwood erzählte einmal: "Ich quetsche ihn nach neuen Ideen aus. Ich denke, er ist genial." Der Botschafts-Kaffee sei wirklich gut.

Nach Medienberichten lebt Assange in seinem Exil auf zwanzig Quadratmetern. Gemeinsam mit der Katze, die ihm seine Kinder geschenkt haben, wie die britische BBC berichtet. Gut geht es dem Wikileaks-Gründer dort nicht, hatte seine Mutter im Februar 2016 erzählt: "Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen."

Ob Assange nun das Londoner Exil mit der Adresse 3 Hans Crescent verlassen werde, wollen die Journalisten am Freitag wissen. Assange weicht aus. Seine Rechtsberater seien mit den britischen Behörden in Kontakt, um den Weg zu bereiten. Er ärgert sich noch, wie es sein könne, dass ein Journalist und Herausgeber, der von Europa aus arbeite, an die USA ausgeliefert werden könne. Dann sagt Assange: "Das war's. Danke, Leute". Und verschwindet wieder vom Balkon.