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Crystal Meth Die Droge für den Mittelstand

Erneut ist ein Politiker mit einer aufputschenden Droge erwischt worden. Das ist wahrscheinlich kein Zufall, wie eine Suchtexpertin sagt.

04.03.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Das hochgefährliche Crystal Meth entwickelt sich nach Experteneinschätzung zu einer Art Droge für den Mittelstand. Es sei recht günstig und inzwischen „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ – anders als etwa Kokain, das als Jetset-Droge gelte, sagte Kerstin Jüngling, die Geschäftsführerin der Berliner Fachstelle für Suchtprävention. „Das ist schon eine Volksdroge.“ Stark betroffen seien Bayern und Sachsen, weil Crystal Meth oft in Tschechien hergestellt werde.

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) wurde am Dienstag mit einer Droge erwischt, bei der es sich um das synthetische Crystal Meth handeln soll. Beck trat von seinen Fraktionsämtern zurück.

Jüngling sagte, wenn man sich politische Debatten anschaue, „da braucht man ein sehr dickes Fell. Dann wollen manche vermeintlich nachhelfen und bauen sich ein Schutzschild mit der Droge.“

Die Abschreckungsfotos zahnloser Gesichter von Crystal-Opfern helfen laut Jüngling erstmal wenig gegen die Ausbreitung der Droge, weil die Konsumenten zunächst sagten, so sähen sie doch gar nicht aus. „Sie wiegen sich zu lange in Sicherheit. Das sagen uns sehr oft Leute aus der Partyszene: „Das Zeug ist gar nicht so gefährlich.“

Crystal passe vordergründig zur Leistungsgesellschaft. Eine wachsende Gruppe bei Konsumenten seien Mütter, die fitter sein wollten, sowie berufstätige Männer ab 40, die mehr Leistung bringen wollten. Laut einer Studie von 2014 werde Crystal auch auf bestimmten Partys und für sogenannten Chemsex (Sex auf Chemie) genommen.

„Bei Ecstasy sinkt der Konsum, bei Amphetaminen allgemein stagniert er und bei Methamphetaminen steigt er“, sagte die Drogenexpertin. „Aktuell kommt es zu einer Verschiebung hin zu den schnellen Drogen nach dem Motto: Leistung um jeden Preis. Da ist das Kuschelgefühl von Ecstasy mit dem Motto „Ich liebe alle und alle lieben mich“ nicht so sehr im Trend wie das Gefühl „Ich bin der Größte“.

Methamphetamine, zu denen Crystal Meth gehört, sind laut der Suchtexpertin viel gefährlicher als die bisher kursierenden Amphetamine wie Ecstasy oder Speed. Mit Blick auf die Wirkung auf das zentrale Nervensystem sagte Jüngling, das Gefühl sei stärker als etwa bei Speed. „Die große Verführung von Crystal Meth ist: Ich fühle mich sofort unschlagbar, extrem gut drauf, habe weder Lampenfieber noch Angst, spüre keinen Hunger und werde nicht müde.“

Dabei seien die gesundheitlichen Schäden und das Suchtpotenzial gewaltig, beschrieb Jüngling die Folgen: „Man fühlt sich so schlimm und hat einen wahnsinnigen Kater. Man stürzt in ein sehr tiefes Loch mit schweren Depressionen und Suizidgedanken. Es geht einem richtig, richtig schlimm. Da ist die Versuchung, kleinere Mengen zu nehmen, sehr groß. Bei der geringen Dosis zu bleiben, klappt aber nicht. Die Gefahr ist riesig, schnell abhängig zu werden.“