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Satire im Fernsehen Böhmermann will mehr Sendezeit im ZDF

Das Kapitel Staatskrise hat der Satiriker Jan Böhmermann hinter sich. Was kommt im neuen Jahr?

Von Jonas-Erik Schmidt 13.12.2016, 23:01

Köln (dpa) l Auf dem Höhepunkt der sogenannten Böhmermann-Affäre hat Jan Böhmermann etwas sehr Untypisches getan: nichts mehr kommentiert. Weder auf Twitter, noch auf Facebook, schon gar nicht in seiner Sendung. Die fiel nämlich aus, nachdem sein Erdogan-Gedicht Verwicklungen ausgelöst hatte, die er sich selbst kaum hätte ausdenken können.

Herr Böhmermann, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bald von Donald Trump verklagt werden?

Jan Böhmermann: Es ist ja nicht so, dass ich das suche. Meine neue Spezialität, oder wie? Ich bin nicht darauf aus, von irgendwelchen Staatschefs verklagt zu werden. Ich kann da keine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufstellen. Autoritäre Typen mit zu viel Macht mögen eben nicht, dass man sie der Lächerlichkeit preisgibt.

Ist Ihnen in diesem Jahr aber ja passiert.

Ich hatte einen Versuchsaufbau hergestellt. Und dann haben wir auf einen Knopf gedrückt und geguckt, ob alle Lampen noch brennen. An entscheidenden Stellen sind dann halt die Birnen durchgebrannt. Was danach passierte, war auf eine Art natürlich überraschend und ein kleines bisschen erschreckend. Andererseits war das, was ausgelöst wurde, ja schon vorher da. Wir sind nur wie so ein Kanarienvogel in der Kohlegrube: wenn wir umfallen, wird’s ernst. Die Wirklichkeit hat dann allerdings unsere wildesten Spekulationen überholt. Gerade erleben wir ja das Entstehen einer Diktatur in der Türkei.

Würden Sie das heute alles noch mal genauso machen? Sie standen zeitweise unter Polizeischutz.

Das war handwerklich keine fein ziselierte, edle Nummer für Elitetwitterer mit Hochschulabschluss. Da wurde schon das grobe Besteck ausgepackt, klar. Aber es bekam dann für viele einen überraschenden Ernst. Der Satz, den ich direkt danach gesagt habe, gilt aber immer noch: Geile Nummer – schade, dass sie von mir ist. Beim nächsten Mal bin ich noch besser vorbereitet.

Hegen Sie eigentlich Groll gegen die Bundeskanzlerin und ihre Rolle in der ganzen Böhmermann-Affäre?

Ich war eher positiv begeistert darüber, dass sie sich damit überhaupt beschäftigt. Wenn ein Trottel wie ich mit einem Witz – und sei er noch so geschmacklos – die Bundesregierung ins Schwitzen bringen kann, hat das ja etwas sehr Demokratisches. Und wir haben bewiesen, dass der politische Witz als Waffe funktioniert. Das ist doch tröstlich. Rechtspopulisten und autoritäre Antidemokraten müssen zuerst bei ihrer Lächerlichkeit und ihrem Anspruch, die einzige Wahrheit zu kennen, gepackt werden.

Manche würden sagen, dass Sie bei Ihrer Arbeit häufig anecken. Sie würden vermutlich sagen, dass die anderen sich an Ihnen stoßen.

Ich bin ein ganz stabiler Typ, immer Mittelspur Autobahn. Wenn Leute, die links und rechts an mir vorbeiziehen, das Steuer nicht in der Hand halten können, ist das wirklich nicht mein Problem.

Woher kommt die Gewissheit, dass das funktioniert?

Autosuggestion. Und ich bin elf Prozent Autist. Das sind genau die elf Prozent, die einem helfen, wenn es mal stürmisch wird.

Wäre denn das Ziel, noch mehr im Fernsehen zu machen?

Ich twittere noch zu viel. All das, was ich in den sozialen Netzwerken raushaue, ist wirtschaftlich betrachtet ja vollkommener Quatsch. Aber wenn der Verarbeitungsdruck zu groß ist, kann man da nichts machen, so ist das als Künstler. Zum Beispiel wenn das neue Video von Pietro und Sarah Lombardi rauskommt. Da habe ich eine Nacht wach im Hotel gelegen und mir die Facebook-Seiten der beiden angeschaut. Ich bin da in eine ganz andere Welt eingetaucht. Sie sind die deutschen Kardashians. Da kann ich als Volkskünstler mit Alleinvertretungsanspruch nicht daneben stehen und sagen, da kümmere ich mich nicht drum.

Das würden Sie also lieber im Fernsehen verbraten?

Ich hätte ohne Probleme Material, um dreimal die Woche Sendung zu machen. Ich will im Fernsehen alt werden.

ZDF-Intendant Thomas Bellut meinte, Sie seien bereits „ganz gut ausgelastet“.

Mein Schutzpatron, der Intendant des ZDF, dem ich treu ergeben zu höchstem Dank verpflichtet bin, hat fast immer und in beinahe allem Recht. Im kommenden Jahr überlegen wir gemeinsam mit dem Sender, wie es weiter gehen soll. Wir haben sehr gute Quoten seit drei Jahren. Der Anspruch lautet: weg von Twitter, hin zu einer lustigen werktäglichen Unterhaltungsshow am späten Abend.

Im ZDF-Hauptprogramm?

Wo denn sonst? Alles andere ist mir zu unsicher. Nach diesem Jahr ist mir Risikominimierung ganz wichtig.